Salzburg - Bei 7,60 Euro pro Quadratmeter - und damit um satte 25 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt - liegt in Salzburg laut Statistik Austria der durchschnittliche Wohnungsaufwand pro Monat. Damit liegt das Bundesland an der Spitze bei den Wohnkosten in Österreich. Grund genug für die regionale Armutskonferenz am Dienstag, sich der "sozialen Frage Wohnen" zu widmen.

"Sozial, aber nicht armutsfest"

Die Wohnbauförderung, das wichtigste Instrument der Landespolitik in diesem Bereich, "ist sozial, aber nicht armutsfest", sagt Gerhard Feichtner von der Caritas: "Was aus unserer Sicht fehlt, sind explizit armutspolitische Zielsetzungen." Hauptkritikpunkt für ihn und die Armutskonferenz: "Es fließt ein zu hoher Anteil der Wohnbauförderungsmittel in die Schaffung von Eigentum."

Ideologischer Streitpunkt Wohnbau

Genau diese Frage - wie viel Wohnbauförderung für Eigentums- und wie viel für Mietwohnungen - ist in Salzburg ein heftiger ideologischer Streitpunkt zwischen den beiden Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP. Während für Wohnbau-Landesrat Walter Blachfellner (SPÖ) die Armutskonferenz mit ihrer Forderung nach mehr Mietwohnungen "offene Türen einrennt", beharrt ÖVP-Wohnbausprecher Florian Kreibich im Gespräch mit derStandard.at auf einem "ausgewogenen Verhältnis". Freilich: Wie so ein Verhältnis idealerweise aussehen solle, kann er nicht sagen.

Blachfellner argumentiert auch mit den Kosten: "Mit dem Geld, das Sie brauchen, um zwei Eigentumswohnungen zu fördern, können Sie drei Mietwohnungen errichten." In der Stadt Salzburg etwa lägen die Durchschnittskosten für das Land bei 190.000 Euro pro Eigentums- und 120.000 Euro pro Mietwohnung.

Zweifel an SPÖ-Zahlen

Kreibich zweifelt Blachfellners Zahlen an: Es handle sich um keine "Vollkostenrechnung", man müsse auch die Folgekosten bei Mietwohnungen in Form von gestützten Mietpreisen berücksichtigen. Für Blachfellner dagegen ist klar, "dass die ÖVP das halt aus ideologischen Gründen nicht hören will".

Freiheitliche für "Mietkauf"

Auch für den Wohnbau- und Sozialsprecher der FPÖ im Landtag, Friedrich Wiedermann, ist die Forderung der Armutskonferenz nach mehr Mietwohnungen "ein sehr zweischneidiges Schwert": "Sicher, es gibt ein gewisses Klientel, die sich nie und nimmer eine Eigentumswohnung leisten können werden. Dennoch stehe ich dazu, dass man neben günstigen Mietwohnungen auch Eigentumswohnungen fördern soll." Wiedermann fordert mehr Augenmerk auf "Mietkauf"-Modelle, "auch als kleine Erziehungsmaßnahme für die Jugend, um zu zeigen, dass sich Sparen lohnt".

"Schuldenfalle" Eigentum

Inge Honisch von der Salzburger Schuldnerberatung betont, dass Eigentum auch zur "Schuldenfalle" werden könne: Dann nämlich, wenn die Wohnung über Kredite finanziert sei und sich plötzlich an der Lebens- und Arbeitssituation der Wohnungskäufer etwas ändere.
Auch für Blachfellner sind eine "Scheidungsrate von 50 Prozent" und steigende Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt Argumente dafür, nur zu mieten und nicht zu kaufen. Grünen-Landeschef Cyriak Schwaighofer stößt ins selbe Horn: Für ihn wäre eine verstärkte Förderung von Mietwohnungen nur eine "Anpassung an den Bedarf".

Unterstützung hinkt Mieten hinterher

Die Armutskonferenz kritisiert auch zu geringe Unterstützungszahlungen bei den Wohnkosten: Der "höchstzulässige Wohnungsaufwand" (HWA) im Rahmen der Sozialhilfe etwa, der derzeit bei 9,50 Euro pro Quadratmeter und Monat (bezogen auf eine Einzelperson in der Stadt Salzburg) liegt, hinke schon seit 2002 den realen Mietpreisen auf dem privaten Markt hinterher (laut Arbeiterkammer im Jahr 2008 durchschnittlich 11,61 Euro).

Schwaighofer schließt sich der Forderung nach einer Erhöhung auf Marktniveau an: Die Unterstützung sei "völlig abgekoppelt von den tatsächlichen Wohnkosten". Auch für Kreibich sei eine Erhöhung denkbar, sagt er. Wiedermann gibt die anfallenden Kosten zu bedenken ("fordern kann man natürlich alles"), Blachfellner würde eine "gesamthafte Betrachtung" der Sozialhilfe vorziehen.

800 Wohnungslose in Stadt Salzburg

Auch die Gemeinden könnten mehr tun, schlägt Honisch vor: Denkbar seien etwa sozial gestaffelte Wasser- und Kanalgebühren. Vor allem aber müsste mehr für Wohnungslose getan werden. Allein in der Stadt Salzburg zähle man 800 Wohnungslose, sagt Robert Buggler von der Armutskonferenz - dazu gehörten nicht nur Obdachlose, sondern auch Menschen, die vorübergehend bei Bekannten unterkommen, denen Delogierungen drohen oder die "als fünfköpfige Familie in einer verschimmelten 50-Quadratmeter-Wohnung sitzen". Über Wohnungslosigkeit in den Landbezirken wisse man praktisch überhaupt nichts.

Hohe Kosten, niedrige Löhne

Insgesamt geht die Armutskonferenz von etwa 63.500 armutsgefährdeten Personen und 26.500 Menschen in manifester Armut im Bundesland aus. Salzburg sei in einer besonderen "Doppelmühle", sagt Buggler: Einerseits sind lägen die Lebenshaltungskosten um sieben Prozent über dem Bundesdurchschnitt, andererseits sei das Lohnniveau niedriger als anderswo. Grund dafür: Industrie gibt es in Salzburg kaum, dafür viele schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs in Tourismus und Handel.

Mehr Kundschaft im Sozialmarkt

Der Obmann des Sozialmarkts "SOMA", Georg Steinitz, hat gegenüber dem Vorjahr um etwa zehn Prozent mehr Kunden bemerkt, sagt er zu derStandard.at: "Wir haben einen großen Topf Gastarbeiter der ersten Generation, allein erziehende Mütter, Geschiedene, jetzt auch besonders viele Arbeitslose. Die hohen Wohnkosten drücken natürlich aufs Einkaufsbudget."
Für Armutsgefährdete gebe es in der Mozartstadt auch oft wenig Verständnis, findet Steinitz: "Salzburg ist halt doch ein Schicki-Micki-Pflaster. Gerade zur Festspielzeit würde man bestimmte Bevölkerungsgruppen am liebsten aus dem Stadtbild deportieren, kommt mir vor." (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 21.10.2009)