Graz - Beim Filmfestival "Diagonale" in Graz wurde am Samstagnachmittag der Carl-Mayer-Drehbuchpreis 2002/2003 verliehen. Der mit 21.810 Euro dotierte Preis wurde wie schon im vergangenen Jahr zu je 10.900 Euro zweigeteilt und geht an "Gehen rückwärts stumm" der Wienerin Barbara Grascher sowie "Nicht einmal am Mond" von Richard Schuberth, ebenfalls aus Wien. Der Preis wurde heuer zum zehnten Mal vergeben.

Scharf gekennzeichnete Charaktere bei "Gehen rückwärts stumm"

Bei "Gehen rückwärts stumm" verwechselt die Germanistikstudentin Milena Zuneigung mit Abhängigkeit und umgibt sich mit Menschen, die ihr emotional verfallen sind. Verzweiflung, Grausamkeit und abgründiger Humor konstituieren das Milieu. "Auch wenn das Treatment eine ausgewogene, klare Strukturierung vermissen lässt, besticht es durch scharf gezeichnete Charaktere und schmerzhaft präzise Beobachtungen, die in dramatischen Szenen zum Ausdruck kommen", hieß es in der Begründung für die Preisvergabe.

Multikulti-Unterweltgeschichte "Nicht einmal am Mond"

Das Ende des versuchten sozialen Aufstiegs der Kurdin Xeycan Bildik in einer persönlichen Tragödie nahm sich das Treatment von "Nicht einmal am Mond" zum Thema. "Schillernde Charaktere, Milieusicherheit und opulenter Szenenaufbau sorgen für explosive Atmosphäre in einer Multikulti-Unterweltgeschichte, die keine Moral kennt", so die Jury. Nach einem fesselnden ersten Akt verliere die Geschichte zwar die strukturelle Disziplin, bewahre aber trotzdem ihr beträchtliches Potenzial.

ORF-Preis für Ulla Neuwirther

Der von der dreiköpfigen ORF-Jury vergebene ORF-Preis für fernsehgerechte Stoffe in Höhe von 4.000 Euro, der im Rahmen des Mayer-Preises ebenfalls vergeben wurde, ging an das Treatment "Lisa, Lena und Laura" im Genre Tragikomödie der Steirerin Ulla Neuwirther aus Allerheiligen.

Das Ausschreibungsthema hatte heuer "Feigheit" gelautet. Die Jury legt nach eigenen Angaben "Wert auf lebensnahe, gut recherchierte und durchdachte Geschichten, die auch formal das cinematografische Potenzial in all ihren Facetten ausschöpfen". Eingereicht worden waren 70 Treatments, davon 50 Kinostoffe, 18 TV-Stoffe und zwei Dokumentarfilmstoffe. Auf Grund von Nichtbeachtung der Statuten wurden sieben Stoffe disqualifiziert.

Jury kritisiert spekulativen Umgang mit "historisch aufgeladenen Themen"

Für die Jury des Carl Mayer-Drehbuchwettbewerbes sei es wichtig, festzustellen, dass bei den "vielen Einreichungen allerdings ein fahrlässiger und spekulativer Umgang mit historisch aufgeladenen Themen wie z.B. dem Dritten Reich und dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien zu beobachten" gewesen sei. Es sei aber erfreulich, dass sich die Autorinnen und Autoren zunehmend mit dem Handwerk des Drehbuchschreibens auseinander setzten.

Die Jury wollte auch auf folgende Projekte aufmerksam machen: Auf "Für einen Augenblick Freiheit" von Arash T. Riahi aus Wien, "stimmig und lebhaft erzählte Flüchtlingsschicksale" sowie "Sturzflug" des Bad Vöslauers Michael Lenzinger, einem "grotesken Spektakel im Gemeindebau". Dazu kommen noch das Krimi-Treatment "Sacrilegus" von Hannes Wirlinger aus Wien und "Kein Hundeleben", eine Romantic Comedy des Wieners Reinhard Ebner. (APA)