Durch die Boston Commons einem neuen Lebensabschnitt entgegen: Damien Chazelles "Guy and Madeline on a Park Bench" erzählt davon, was nach der Trennung kommt.

Foto: Viennale

Einer schläft, die anderen lauschen: Lenny (Ronny Bronstein) mit Kids in "Go Get Some Rosemary" .

 

 

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Madeline (Desiree Garcia) bläst in die Trompete von Guy (Jason Palmer), aber es kommen nur jämmerliche Geräusche heraus und kein Ton, der sich lange im Raum hält. "Hört sich an, als ob jemand stirbt" , sagt sie. Die Szene, die auch eine feine Schwingung zwischen zwei Menschen über (den Versuch von) Musik vermittelt, gehört zu einer Rückblende. Ganz am Anfang von Guy and Madeline on a Park Bench, dem Debütfilm von Damien Chazelle, sitzen die beiden Protagonisten tatsächlich auf einer Bank, aber von da an gehen sie eigentlich getrennte Wege.

Chazelles Film, ein in Schwarz-Weiß gedrehtes, wie improvisiert wirkendes Kleinod, schlägt seit seiner Premiere auf dem letzten New Yorker Tribeca-Filmfestival Wellen. Ungewöhnlich ist darin vor allem die Verbindung der realistisch eingefangenen Bostoner Off-Jazz-Szene mit der fragmentarischen Geschichte zweier Suchender, die an unterschiedliche Filmmusicaltraditionen anknüpft, um den Gemütsverfassungen und Lebensumständen der Figuren Ausdruck zu verleihen. Die verspielt-eklektische Musik hat Justin Horwitz für den Film eigens komponiert.

Guy and Madeline on a Park Bench erzählt die Nachgeschichte einer kurzen Beziehung: von einer Phase des Neuorientierens, die sich aus Eskapaden und Momenten des Sammelns zusammensetzt. Während Guy auf einem seiner Konzerte auf Elena (Sandha Khin) trifft und eine neue Affäre beginnt, eigentlich aber nur an seine Trompeterkarriere denkt, begibt sich Madeline auf Job- und Instrumentensuche. Am Ende überdenkt Guy seine Einstellung zu Madeline, aber da hat sie schon woanders Tritt gefasst.

Der lose Plot liefert die Partitur für diverse Nummern und Jamsessions, in denen sich der Film immer wieder zu Intensitäten verdichtet: wenn Madeline, wie in einer rauen Variante eines Jacques-Demy-Films, beginnt, durch Bostoner Parks spazierend von ihrem neuen Lebensabschnitt zu singen; wenn Guy durch Clubs der Stadt streunt und eine Szene in ein tolles Steppduell mündet - ganz selbstverständlich und direkt findet die von Chazelle selbst geführte Kamera ihr Abbild dieses urbanen Künstlermilieus.

Ein lockerer Kamerastil, in der Tradition von Privatfilmmaestros wie Jonas Mekas, charakterisiert auch die Filme der New Yorker Brüder Josh und Benny Safdie. In ihrem neuen Film Go Get Some Rosemary haben sie mit dem 34-jährigen Lenny (Ronny Bronstein) eine - lose an ihren eigenen Vater angelehnte - Hauptfigur ersonnen, dessen Nonchalance und Spielnatur spätestens dann zum Problem wird, als er ein paar Wochen lang auf seine Söhne Sage und Fred aufpassen soll.

"Lenny ist ein Mann (und manchmal ein Vater), der seine Traurigkeit mit Lachen verdeckt" , sagen die Safdies über ihre Figur, deren Ambivalenz einen von Beginn an gefangen nimmt. Auf der Wahrnehmungsebene der Kinder nimmt er sich fast wie ein Freund aus, der für jede Dummheit zu haben ist und sie mit seinem Einfallsreichtum mitunter noch übertrifft. Doch immer dann, wenn ihm etwas dazwischenkommt, ein Bedürfnis, dem er nicht entsagen will, ist sein fehlendes Verantwortungsgefühl mehr als irritierend.

Go Get Some Rosemary erzählt diese Geschichte einer Überforderung in einer an John Cassavetes erinnernden Methode: als lose Folge szenischer Ideen, die an den Narrheiten dieser Welt auf eine Weise teilhaben lässt, dass man sie auch richtig nachvollziehen kann. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 24.10.2009)