Szenenausschnitt aus "Michael Jackson's This Is It". Bis zwei Wochen vor seinem Tod probte der US-Sänger sein großes und als Abschied geplantes Bühnen-Comeback in Los Angeles

Foto: SonyBMG

Wien - Im April 2009 startete Michael Jackson in einem Hallenstadion in Los Angeles die Proben zu einem nicht mehr erwarteten Comeback. Zuletzt gebuchte 50 Konzerte sollte der gesundheitlich tatsächlich und psychisch unterstellt angegriffene US-Superstar ab Juli in der jeweils 20.000 Besucher aufnehmenden Londoner O2-Arena absolvieren.

Unter dem Titel This Is It plante Jackson ein spektakuläres Vermächtnis zu Lebzeiten. Mit 50 Jahren war das ewige Kind und der zumindest seitens seines Managements unwidersprochen als "König des Pop" titulierte Sänger nach immer drastischere Ergebnisse zeitigenden Umbauarbeiten am eigenen Körper, sich exorbitant steigernden Schulden bezüglich seines Lebensstils und einer überlangen kreativen Durstphase an einem Endpunkt angelangt.

Diese Europatournee ohne Reise und Ortswechsel, die statt ihm sein Publikum für ihn unternehmen sollte, war als versöhnlicher Abgang von jener Bühne geplant, die einem in der Lebensmitte stehenden ewigen Kind schon allein wegen seiner irdischen Vergänglichkeit zunehmend suspekt erscheinen musste. Von den bei einer Live-Show heutzutage obligatorischen Kamera-Close-ups in ein zerstörtes Gesicht ganz abgesehen. Von wegen: Sic transit gloria mundi.

Jackson war über die Monate und Jahre zuvor mit kolportierten 500 Millionen US-Dollar in der Krida aus den USA in ein arabisches Emirat geflüchtet. Von Schloss Neuschwanstein über das Taj Mahal bis zur Auswanderung auf den Mond wurde in Folge jeder noch so absurde Fluchtpunkt als finales Refugium des "Aliens" kolportiert. Den Rest besorgte die für Jacksons bizarre Auftritte durchaus empfängliche Klatschpresse. Sie stellte das avisierte Bühnencomeback Jacksons nach gut zehnjähriger Pause, durchaus nachvollziehbar, in Zweifel - und kombinierte dies mit den nie wirklich geklärten Vorwürfen in Zusammenhang mit etwaigem Kindesmissbrauch. Kurz, Jackson war so unten durch, wie es noch kein anderer Künstler vor ihm geschafft hatte.

Gier über Pietät

Nach dem Tod Michael Jacksons am 25. Juni und den leichenfledderischen Bemühungen seiner Familie, noch aus dem letzten bis dato unveröffentlichten Fitzelchen des schmalen Werkkatalogs Gewinn zu ziehen, war im Vorfeld des nun Weltpremiere feiernden Dokumentarfilms Michael Jackson's This Is It nur wenig zu erwarten.

Angekündigt als "Blick hinter die Kulissen" der zweimonatigen Probearbeiten zur geplanten Londoner Konzertreihe, durfte man mit vier Monaten Produktionszeitraum eigentlich nur eine weiteren Versuch sehen, die Gier der Erben über die Pietät zu stellen. Stichwort: Jermaine Jackson, Georg Kindel und das kläglich gescheiterte "Tribute"-Konzert vor Schloss Schönbrunn in Wien. Stichwort: eiligst zusammengeschluderte Betroffenheitsbereicherungsfilme der Marke Rudi Dolezal und Hannes Rossacher.

Unter der Regie von This Is It-Bühnenshowkoordinator Kenny Ortega entstand aus an und für sich als Bonusmaterial für eine künftige DVD-Verwertung der Live-Konzerte geplanten Probenmitschnitten allerdings eine durchaus bemerkenswerte Dokumentation für das Kino. Anders als vermutet, zeigt diese Jackson während zweier Stunden nicht etwa als jenes psychische und physische Wrack, als das er unmittelbar nach seinem Tod dargestellt wurde. Michael Jackson's This Is It präsentiert vielmehr einen Künstler, der trotz oft fahrig wirkender Tagesverfassungen zumindest auf der Bühne jederzeit wusste, was er tat.

Angesichts der Tatsache, dass es sich hier rein um Probendurchläufe handelt, kann man - gesetzt den Fall, dass Jackson tatsächlich 50 Konzerte in Reihe durchhalten hätte können - von einem einzigartigen Dokument sprechen. Der Seher wird nicht nur Zeuge, wie ein vom Leben gezeichneter Künstler das letzte Mal versucht, sich größer als das irdische Dasein zu inszenieren. Mit einfacher Technik und unaufdringlichen Schnitten erleben wir Michael Jackson auch als einen Showman, der sein Fach von der Pieke auf gelernt hat. Er zwingt seine Perfektionssucht auch - und das immer freundlich - dem Personal auf: "Könnten Sie bitte diesen Keyboard-Part etwas forscher spielen? Ich weiß, wie es geht, ich habe diesen Song komponiert."

Dass sich das Muster des Films - Probedurchlauf eines Songs, Interviews mit den Akteuren, Heiligenverehrung - beständig wiederholt, ist zwar ermüdend. Jacksons Rolle als Opfer muss danach allerdings entschieden hinterfragt werden. Am Ende war Jackson ein Mann der Tat. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2009)