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Klimaschutzaktivisten verlangten am Donnerstag in Brüssel von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union Bares.

Foto: Reuters/Herman

Und zwar um einen Schlüssel zur Aufteilung der Lasten. Der schwedische Ratsvorsitz sucht die Zauberformel.

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Noch bevor der EU-Gipfel am Donnerstag begonnen hatte, stand zum Thema Klimaschutzpaket und Finanzierung der Maßnahmen in Entwicklungsländern durch die Union bereits die erste Veto-Drohung im Raum: Die Verhandlungen würden möglicherweise "blutig" verlaufen. Polen lehne den vorgesehenen Aufteilungsschlüssel der EU-Hilfsgelder unter den Mitgliedsstaaten ab, richtete die polnische Delegation den Partnern vorab via Interview in mehreren Zeitungen, unter anderem Gazeta Wyborcza, aus.

Premierminister Donald Tusk erklärte, er wolle eine "gerechte Aufteilung der Kosten innerhalb der EU". Das war die Elferfrage.

Denn was gerecht ist oder nicht, darüber scheiden sich die Geister fundamental, insbesondere weil die neuen Länder aus Osteuropa mit Polen an der Spitze viel weniger zahlen wollen als die anderen, wenn es um konkrete Hilfe für Entwicklungsländer geht.

Ihr Argument: Sie hätten aufgrund von Altlasten aus der Vergangenheit genug zu tun, um selber die Klimaschutzziele zu erreichen. Und sie verfügten nicht über jene Finanzkraft, die die traditionellen EU-Länder aufbringen könnten. Daher wünscht Polen eine Aufteilung nach der jeweiligen Finanzkraft, dem Bruttoinlandsprodukt. Polen wäre im Moment mit einem Beitrag von 230 Mio. Euro jährlich einverstanden.

Die großen EU-Länder hingegen wünschen, dass der CO2-Ausstoß berücksichtigt wird. Ob es beim Gipfel überhaupt zu einer konkreten Zahl kommt, ist fraglich. Denn in den EU-Hauptstädten mehren sich die Stimmen, dass der Klima-Weltgipfel in Kopenhagen vermutlich noch nicht den Durchbruch bringen wird, man also noch Zeit habe mit Festlegungen.

"Zahlerformel" gesucht

Die schwedische Ratspräsidentschaft unter Premier Fredrick Reinfeldt wollte jedenfalls versuchen, eine generelle "Formel" für den Ausgleich zwischen Alt- und Neumitgliedern der Union zu finden. Neben Polen sind insgesamt acht Länder (Lettland, Litauen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien und Bulgarien) gegen eine zu starke Gewichtung der Emissionen in der Zahlerformel. Umstritten ist auch, ob ungenutzte alte Emissionszertifikate ins Kalkül gezogen werden sollen. Die Gruppe um Polen ist dafür, die restlichen EU-Länder sprechen sich dagegen aus.

Das gemeinsame EU-Hilfspaket ist für die Reduzierung von Treibhausgasen in den ärmsten Ländern der Welt gedacht. Die Union möchte dafür aus gemeinsamen Mitteln jährlich einen steigenden Betrag ausgeben, der im Jahr 2020 rund 15 Milliarden Euro betragen soll. Diese Summe hat die EU-Kommission in ihrem Bericht vorgeschlagen, was von Experten aber als zu niedrig angesehen wird. Bis 2020 wird der Bedarf der Entwicklungsländer auf jährlich 100 Milliarden Euro geschätzt.

Welche Summe es nun tatsächlich werden soll, wird auf diesem Gipfel nicht geklärt werden. Der schwedische Ratsvorsitz will nur versuchen, eine informelle Grundsatzeinigung zu erreichen, auf deren Basis die Union dann vor dem internationalen Klimagipfel in Kopenhagen disponieren kann.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs sollten ihre grundsätzlichen Ziele bekräftigen. Bis 2050 sollen alle Maßnahmen dazu führen, den Anstieg der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen und global die Emissionen um 50 Prozent zu vermindern.

Ausstoß reduzieren

In den Industriestaaten sollen der Schadstoffausstoß um 80 bis 95 Prozent reduziert werden, verglichen mit dem Jahr 1990. Da sich die Europäische Union als Vorkämpferin in der internationalen Debatte um den Klimaschutz sieht, wäre sie bereit, den Schadstoffausstoß bis 2020 sogar um 30 Prozent zu vermindern, sollten andere entwickelte Länder bereit sein, "vergleichbare Anstrengungen zu unternehmen".

(DER STANDARD, Printausgabe, 30.10.2009)