Diese Woche bereichert ein neuer Faktor die zähen Koalitionsverhandlungen über das nächste ORF-Gesetz und die neue, von der EU mit vielen ORF-Kompetenzen aufmunitionierte Medienbehörde: Die Grünen reden mit. Ihre Stimmen (oder die der rechten Opposition) brauchen SPÖ und ÖVP, wollen sie die Behörde mit Verfassungsmehrheit weisungsfrei machen. Beide nennen das als Ziel.

"Die bestehenden Mechanismen erscheinen nicht geeignet, um die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages angemessen zu überprüfen" , schreibt die EU-Kommission zum Abschluss ihres Verfahrens über den ORF.

Die Medienbehörde KommAustria ist bisher für den ORF kaum zuständig: Sie kann ihm Frequenzen wegnehmen, wenn er Gebiete doppelt abdeckt. Sie beobachtet, ob er Weberegeln einhält, zeigt Verstöße beim Bundeskommunikationssenat (BKS) an. Dessen fünf Juristen entscheiden auch über Beschwerden von Betroffenen oder 120 Gebührenzahlern, ob der ORF seine Programmvorgaben verletzt hat. Laufende Kontrolle geht nicht im Nebenberuf, erkennt die EU: "Der BKS verfügt anscheinend nicht über genügend Personal und Ressourcen, um die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags angemessen zu kontrollieren."

  • Programmauftrag erfüllt? Das soll die neue Medienbehörde prüfen. Sie checkt künftig, ob der ORF das von der EU geforderte "Qualitätssicherungsverfahren" einhält. Sie soll "regelmäßig stichprobenartig kontrollieren" , ob gebührenfinanzierte Angebote des ORF "mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag im Einklang stehen" , und den Jahresbericht des ORF über seine Tätigkeit. Kontrolle einzelner Sendungen ist dezidiert nicht vorgesehen.
  • Für Onlinedienste, Spartenkanäle muss der ORF "Angebotskonzepte" vorlegen, die Inhalte, Zielgruppen, öffentlich-rechtlichen Mehrwert darlegen. Die Behörde kontrolliert die Konzepte und ob der ORF sie einhält. Neue Dienste des ORF muss die Behörde absegnen (ausgenommen: Onlinedienste mit Infos über den ORF und sein Programm, tagesaktuelle Nachrichten, sendungsbegleitende Infos). Ein Beirat hilft bei der Klärung, ob die neuen Angebote dem öffentlich-rechtlichen Auftrag dienen. Die Wettbewerbsbehörde berät die Medienbehörde, ob die Angebote den bestehenden Markt stören.
  • Marktkonform müssen kommerzielle (nicht gebührenfinanzierte) Dienste des ORF sein, verlangt die EU. Die Behörde soll das kontrollieren, etwa ob der ORF das Preisniveau Privater unterbietet. Die Medienbehörde zeigt wettbewerbswidriges Verhalten bei der Wettbewerbsbehörde an. Die Medienbehörde überprüft das "Marktverhalten" bei Sportrechten.
  • Die Höhe der Gebühren kontrolliert die Behörde, unterstützt von Wirtschaftsprüfern, die sie (und nicht mehr der ORF) beauftragt. Das Prinzip: Der ORF darf (über je fünf Jahre) nicht mehr Gebühren einnehmen, als er für den Auftrag braucht. Ausnahme: Der ORF darf krisenbedingt geschrumpftes Eigenkapital aufstocken, um Zahlungsunfähigkeit (auf fünf Jahre) vorzubeugen. Auch das müssen Behörde und Prüfer bestätigen.

Wer soll den ORF kontrollieren? Bisherige SP-Entwürfe sehen fünf Juristen als Mitglieder der KommAustria. Behördenchef Michael Ogris und sein Vize Klaus Kassai gelten als Kandidaten. Manche Entscheidungen treffen sie alleine, wesentlichere in (Dreier-)Senaten.

Das ist eines der Themen für Stefan Schennach. Der Mediensprecher der Grünen fordert etwa getrennte Senate für ORF und Private. Das sähen die Entwürfe bisher nicht vor. Er will ein Vetorecht des ORF-Stiftungsrats: Mit Zweidrittelmehrheit soll die Medienbehörde überstimmen können. Die Organisation eines Presserats will er bei der Behörde ansiedeln.

Dass die Behörde nicht länger Weisungen des Bundeskanzlers unterliegt, fordert die EU-Kommission nicht. Sie betont aber: "Allerdings wird eine wirksame Kontrolle in der Regel nur durch eine von dem betrauten Unternehmen" - also dem ORF - " unabhängige Instanz effektiv zu gewährleisten sein." (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 2.11.2009)