Wien - "Wie viele Stunden haben S' denn Zeit?" Christian Meidlinger, Chefgewerkschafter der Gemeindebediensteten, quittiert das Ansinnen mit einem schallenden Lacher. Das Nebengebührensystem der Wiener Beamten erklären - da müsse man schon weiter ausholen.

Stolze 356 Seiten umfasst jener Katalog, in dem alle Zulagen - die Wiener ÖVP hat 1800 gezählt - aufgelistet sind. Diese finanziellen Extrawürste bekommen öffentliche Bedienstete in Wien für bestimmte "Erschwernisse und Gefahren" , wie Meidlinger erläutert. Die Stadt könne ihre 70.000 Beschäftigten eben nicht in ein grobes Schema pressen, erst die "historisch gewachsenen" Zulagen sorgten für maßgeschneiderte Entlohnung.

Wasser ablesen

Als "Erschwernis" gilt etwa die Tätigkeit an "Bildschirmgeräten" , die Amtsgehilfen mit 3,38 Euro pro Tag entlohnt wird. Mehr Geld gibt's als Schmutzzulagen für Tischler, Raumpfleger oder Wassermesserableser. Exakt 82,64 Euro Gefahrenzulage kassieren ein "Klärwärter der Kläranlage in Tullnerbach-Preßbaum" , "Bedienstete der Media Wien, die als Fotografen oder Kameraleute verwendet werden" sowie "eine zahnärztliche Ordinationshilfe, welche die Sonderschule Wien 18., Währinger Straße betreut" . Nur 4,91 Euro ist das Verlöten von Särgen wert.

Beschlüsse für alles

Schmutzwäscheannahme, Bedienung von Zentralheizungen, Dekoration mit Topfpflanzen: Es gibt keinen Handgriff, der nicht mit Zuschlägen, die für manche bis zu einem Drittel der Einkommen ausmachen, abgegolten wird. Die ÖVP vermutet dahinter ein "vom Wohlwollen der SPÖ" abhängiges System "des Belohnens und Bestrafens" , um Magistratsbedienstete gefügig zu machen. Der Rechnungshof, der das ganz ähnliche Wirrwarr auf Bundesebene unter die Lupe genommen hat, kritisiert "Intransparenz und hohen administrativen Aufwand" .

Einfacher hätte es auch Gewerkschafter Meidlinger gern. Aber von "Wildwuchs" will er nichts hören: "Für alles gibt es einen Beschluss." (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 6. November 2009)