Maurizio Berlini, Chef des Online-Vermarkters AdLink.

Foto: Goldbach Media

Der Vermarkter AdLink, Teil der Schweizer Goldbach Media Group, ist mit zehn Anbietern im Portfolio der ÖWA Plus (Österreichische Webanalyse) beigetreten. AdLink-Chef Maurizio Berlini erläutert im Interview mit etat.at die Beweggründe, die für eine "gemeinsame Währung" sprechen und warum er optimistisch ist, dass die Online-Werbespendings schon bald der Mediennutzungszeit folgen werden. Die Fragen stellte Oliver Mark.

etat.at: AdLink ist als Vermarkter der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) beigetreten. Was war der Grund?

Berlini: Es geht darum, Vertrauen in die Marktstandards und gegenüber der Werbeindustrie zu stärken. Im Vorfeld gab es Überlegungen, Konkurrenzprodukte zu unterstützen. Wir wollen aber daran partizipieren, was schon am Markt etabliert ist, und das ist eben die ÖWA.

etat.at: Ist die ÖWA als "Währung" in Sachen Mediaplanung schon zu etabliert, als dass „Konkurrenzprodukte" eine Chance hätten? Zum Beispiel Google Analytics.

Berlini: Wichtig ist, dass man mit einer Währung am Markt auftritt. Das ist auch eine Frage des Vertrauens. Der ganze Internet-Markt leidet immer noch ein bisschen darunter, obwohl es eigentlich totale Transparenz gibt. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Standards und Prozesse noch nicht so etabliert sind wie bei klassischen Medienkanälen. Von Kundenseite werde ich sehr oft mit Zählungen etwa von Google Analytics konfrontiert. Die verschiedenen Messungen werden dann untereinander verglichen. Es sollte aber ein gemeinsames Tool und ein klare Festlegung in der Branche geben, damit man immer über dieselben Sachen redet.

etat.at: Wird die Mitgliedschaft in der ÖWA als Messlatte mittlerweile auch von allen Mediaagenturen verlangt und ist die Webanalyse in ihrer jetzigen Form schon der Weisheit letzter Schluss?

Berlini: Ja, verlangt wird es von den Mediaagenturen und natürlich von der Kundenseite. Sicher gibt es noch Optimierungsmöglichkeiten, aber ich habe hundertprozentiges Vertrauen in die Gremien und die handelnden Personen. Die Tools werden sukzessive weiterentwickelt, auch wenn auf der Planungsseite die Usability noch nicht optimal ist. Das ist ziemlich kompliziert zu bedienen und macht die Anwendung schwierig. Der Markt verändert sich laufend, was sich in Adaptierungen - etwa bei der Datenerhebung - widerspiegeln muss. Ich würde mir wünschen, dass die ÖWA Plus weiter ausgebaut wird, damit diese Zahlen für die Planung noch stärker herangezogen werden können.

etat.at: In welcher Hinsicht wünschen Sie sich eine Verbreiterung der ÖWA Plus? Bis dato sind 36 Teilnehmer mit 50 Online-Angeboten vertreten.

Berlini: Begrüßenswert wäre, wenn erstens alle relevanten Player teilnehmen, um eine möglichst große Grundgesamtheit anbieten zu können. Wir als Vermarkter haben uns ins Zeug gelegt, um unsere Partner mit an Bord zu bekommen. So steigt die Reichweite kontinuierlich. Zum Zweiten sehe ich die ÖWA als wichtige Institution an, was die Standardisierung und Schaffung von Transparenz am Markt anbelangt. Hier wäre es wünschenswert, wenn es etwa in Kooperation mit dem IAB (International Advertising Bureau) gemeinsame Aktivitäten gibt.

etat.at: Welche Kooperationsmöglichkeiten könnte es zwischen diesen zwei Institutionen geben?

Berlini: Zum Beispiel im Ausbildungsbereich, bei der Organisation von Informationsveranstaltungen oder bei der Marktforschung.

etat.at: In Österreich entfallen rund vier Prozent des gesamten Werbekuchens auf das Internet. In Großbritannien hat Online schon TV überholt. Warum hinkt Österreich so hinterher?

Berlini: Ein wichtiger Faktor ist sicher, dass wir valide Daten für die Werbeindustrie zur Verfügung stellen müssen. Das war nicht immer der Fall, ist aber mit der ÖWA gelungen. Die Mediennutzungszeit im Internet entwickelt sich in Österreich ähnlich wie in anderen Ländern. Die Spendings folgen normalerweise der Mediennutzungszeit. Hier haben wir noch ein großes Potenzial. Die Adaptierung der gesamten Mediaplanung auf die neuen Mediennutzungsszenarien geht nicht von heute auf morgen. Die Werbekunden brauchen in Österreich anscheinend etwas länger als in anderen Märkten. Standardisierungen, innovative Werbeformate und Pricing sind entscheidende Faktoren.

etat.at: An welche Angebots-Modelle denken Sie hier?

Berlini: Wir haben gesehen, dass in Zeiten der Krise Rabattschlachten stattgefunden haben. Das meine ich nicht damit. Ein adäquates Preisniveau für die werbliche Präsenz im Internet wird sich erst einpendeln. Von der Angebotsseite her gibt es etwa Behavioral Targeting, was noch mehr Effizienz erlaubt. Zielgruppen können ohne Streuverluste angeboten werden. Das hat sich im angloamerikanischen Raum schon sehr stark etabliert.

etat.at: Welche weiteren Werbeformen sind im Kommen?

Berlini: Eine andere innovative Werbeform ist der Bewegtbildbereich, der in den nächsten Jahren ein sehr starkes Wachstum verbuchen wird. Weiters wird verkaufsorientierte Werbung aufgrund der Interaktionsmöglichkeiten im Internet eine immer größere Rolle spielen. Das Problem dabei: Das Internet wird noch zu sehr auf die Interaktion reduziert, obwohl es eine sehr starke Branding-Wirkung hat. Das beweisen unsere Online-Impacttests, die Bestandteil jeder größeren Kampagne sind. Diese Erkenntnis hat sich am Markt leider noch nicht so manifestiert. Sehr häufig wird nur über Klickraten geredet und zu wenig über Brandingeffekte.

etat.at: Sind die Erkenntnisse aus der Marktforschung noch nicht bei den Werbetreibenden angekommen?

Berlini: Gerade in Bezug auf die Werbewirkung müssen wir noch jede Menge Aufklärungsarbeit leisten, auch was die kohärente Kommunikation von solchen Studien in den Markt hinein anbelangt. Im TV-Bereich etwa haben Markenartikler über Jahrzehnte Erfahrungen sammeln können, wie sie ihre Produkte effizient über Markenkampagnen unterstützen können.

etat.at: Videowerbung wird schon seit längerer Zeit enormes Potenzial attestiert. In Österreich passiert recht wenig. Sind die zu geringen Reichweiten das Hauptproblem?

Berlini: Es ist noch nicht so viel an Reichweite da, dass man gegen das Fernsehen antreten kann. Da sind wir als Vermarkter im Vorteil, weil wir Reichweiten summieren und diese anbieten können. In nächster Zeit wird es aber mit Sicherheit genügend größere Medien geben, die ihre bewegten Bilder dann selbst vermarkten können. Neben der Reichweite und dem guten Preis-Leistungsverhältnis ist eine einfache technische Handhabung ein wichtiger Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte. Leider gibt es hier noch keine Standardisierung. Man kann den Werbekunden nicht zumuten, dass sie ihre Spots in fünf verschiedenen Formaten liefern.

etat.at: In welchen Rahmen bewegen sich die Reichweiten, die sie für Video-Werbung zur Verfügung stellen können?

Berlini: Wir sprechen hier von einigen hunderttausend Ad-Impressions, mit denen wir operieren können. Mittelfristig sollte man das integrativ, also gemeinsam mit der Fernsehplanung sehen. Der große Vorteil von Bewegtbild im Internet ist, dass hier eine Zielgruppe angesprochen werden kann, die langsam aber sicher im Fernsehen ausstirbt. Wenn Werbetreibende ihre Botschaften an eine jüngere Zielgruppe bringen wollen, dann wäre es sinnvoll, die übers TV generierten Kontakte mit jenen aus dem Internet zu unterstützen. Das ergibt eine in Summe homogenere Kampagnenplanung.

etat.at: Wie sollten sich Spots im Fernsehen von jenen im Internet unterscheiden? In puncto Länge?

Berlini: Es kommt auf das Werbeumfeld an, aber 30-Sekunden-Spots im Internet zu spielen, ist wahrscheinlich nicht sinnvoll. Alle Studien gehen von einer Länge von 15 bis maximal 20 Sekunden aus. Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Instream-Content im Internet proaktiv genutzt wird und deswegen die Werbebotschaft einen extrem hohen Impact hat. Außerdem wird den Rezipienten ohne Medienbruch ein Zusatznutzen geboten. Zum Beispiel bei Autowerbung kann übers Internet gleich eine Testfahrt beim nächsten Händler gebucht werden. Diese Kampagnen sind auch in den mobilen Bereich integrierbar.

etat.at: Eine oft formulierte Kritik ist, dass „klassische" Werbung oft nur als Ableger ins Internet wandert.

Berlini: Natürlich ist das ein Prozess, der auch den Mut erfordert, mal neue Sachen zu probieren. In Zeiten der Krise ist das bei Agenturen und Kunden nicht in ausreichendem Maße vorhanden und man beruft sich eher auf bewährte Dinge. Hier muss auf die gesamte Wertschöpfungskette edukativ eingewirkt werden. Auch die Kreativen in den Agenturen sind dankbar, wenn sie neue, kreative Möglichkeiten bekommen. Hier müssen wir uns noch mehr anstrengen, um innovative Werbeformen zu entwickeln.

etat.at: Wie sehen sie Werbemöglichkeiten in sozialen Netzwerken? Konkurrenz oder Ergänzung?

Berlini: Letztendlich kämpfen wir alle auf derselben Seite. Dort, wo Mediennutzung stattfindet, wird die Werbeindustrie ein Interesse haben, präsent zu sein. In sozialen Netzen ist das eine sehr diffizile Sache. Was kann man den Usern zumuten, welche Werbeform ist am besten geeignet? Das ist eine Lernkurve.

etat.at: Wo liegen die Unterschiede?

Berlini: Man muss hier viel tiefer in die Kommunikation mit Usern einsteigen. Statt dem klassischen Banner sollte es etwa Brand-Pages mit vielen Serviceangeboten geben. Eine Demokratisierung hat hier stattgefunden. Werbebotschaften dürfen nicht mehr einfach vom Berg heruntergetrommelt werden. Sie sollen beim Rezipienten den Willen auslösen, sich damit auseinanderzusetzen. (derStandard.at, 9.11.2009)