Es war noch viel unklar am Tag nach dem blutigen Amoklauf von Fort Hood. Die Behörden vermochten am Freitag noch nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen, ob die Postings, in denen ein Nidal Malik H. sein Inneres nach außen kehrte, tatsächlich vom Todesschützen stammen. Auch die Berichte über sein versuchtes Ausscheiden aus der US-Armee waren vorerst unbestätigt. Das einzige, das unmittelbar klar war, ist, dass dieser Amoklauf nicht von einem gewöhnlichen Major Smith begangen wurde, sondern von einem Major H., einem mutmaßlich bestens in die USA integrierten Palästinenser. Dadurch hat die Bluttat plötzlich eine enorme politische Dimension gewonnen, in der sich noch kaum jemand zurechtfindet.

Die Reporter der TV-Stationen überschlugen sich. Den Amerikanern wurde plötzlich klar, dass GIs nicht nur in Afghanistan und im Irak sterben können, dass die Auseinandersetzung mit dem Islam nicht irgendwo in einer weit entfernten Staubwüste zu führen ist, sondern auch mitten in der amerikanischen Gesellschaft. Millionen Muslime leben in den Vereinigten Staaten und Millionen laufen nicht Amok, dennoch scheint es für einige - in diesem Fall tragischerweise für einen als Psychiater qualifizierten - einen Leidensdruck zu geben, der Bluttaten wie diese auslösen kann.

Die Frage, die nach dem Amoklauf von Fort Hood offenbleibt, ist, wie weit das US-Modell der Integration trägt. Vom Schmelztiegel war die Rede, dann von der bunten Salatschüssel, die Verschiedenheit zulässt. Beides ist unzureichend, um hier die Frage nach dem Warum zu beantworten. (Christoph Prantner, DER STANDARD Printausgabe, 7./8.11.2009)