So sehen frisch geborenen Mäuse aus. Wenn Forschern eine genetische Mutation geglückt ist, zeigt das die Fellfarbe am sechsten Tag nach der Geburt. Braun heißt Erfolg, Schwarz, dass die Mutation nicht geglückt ist.

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Dass Mensch und Maus sich im Hinblick auf ihre genetische Grundausstattung nur um rund 20 Prozent unterscheiden, ist schwer vorstellbar, aber ein Faktum. Das Genom ist entschlüsselt. Im Klartext: Man kennt die Desoxyribonukleinsäure (DNA), jene Molekülkette, die aus vielen tausenden Einzelabschnitten, den Genen, besteht. Dort ist die biologische Entwicklung eines Organismus und seines Stoffwechsels verankert. Und Mensch und Maus gleichen sich in weiten Strecken. "Wie funktioniert Leben, und wie ist es, wenn Krankheit da ist?", fasst Thomas Rülicke, Professor für Labortierkunde an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien, die grundlegende Fragestellung jedes molekularbiologischen Forschungsprojektes an Tieren zusammen.

Die Erforschung der Grundprinzipien des Lebens sei ein Puzzle aus Millionen Einzelteilen, für das niemand die Vorlage kennt, so Rülicke. Mit gentechnisch veränderten Mäusen versucht die Forschung Zusammenhänge zwischen Genen und ihren diversen Funktionen zu begreifen. Um die 5000 verschiedenen transgenen Mauslinien werden derzeit beforscht. Wer Tiere gentechnisch verändert, muss viele Voraussetzungen erfüllen, entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und die Beeinträchtigung der Tiere möglichst gering halten, so Rülicke, und das sei ein Prozess, der streng überwacht wird.

Wie molekularbiologische Forschung optimalerweise läuft, hat Josef Penninger vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) gezeigt. Vor rund zehn Jahren begann er mit der Erforschung eines Gens namens RANK-Ligand, von dem man vermutete, dass es für die permanente Knochenerneuerung im Körper verantwortlich ist. Man hatte beobachtet, dass bei Osteoporose, jener Erkrankung, bei der die Knochen im Alter porös und brüchig werden, RANK-Ligand verändert war. Im Maus-Modell schaltete Penninger das Gen ab und studierte die Mechanismen, die zu Veränderungen führten. Heute steht ein Medikament in der Endphase der klinischen Prüfung, das diesen "Fehler" auf biologischer Ebene korrigiert und damit eine vollkommen neue Behandlungsoption darstellt. So soll es laufen.

Gene abzuschalten klingt einfach, ist aber ein diffiziler, mehrstufiger Prozess, der im Labor an Mausstammzellen beginnt.

Projekt Austromouse

Denn geforscht wird nicht - wie fälschlich vermutet werden könnte - an einzelnen Mäusen. Um valide Schlüsse zu ziehen, müssen Forscher verschiedene Mäuselinien über Generationen beobachten, denn viele genetisch determinierte Erkrankungen entstehen erst nach einer gewissen Zeit. Welche Mechanismen dazu führen, gilt es offenzulegen. Die Hinweise, welche Gene bei welchen Erkrankungen involviert sein könnten, kommen aus der Medizin. "Nachdem das Target-Gen definiert ist, bauen wir im Labor einen Vektor, der dieses Ziel in der DNA ansteuert und es ausschaltet", erklärt Biochemikerin Arabella Meixner, Leiterin des IMBA-Stammzellzentrums und Koordinatorin von Austromouse, einem von GEN-AU geförderten Netzwerk, das Forscher beim Generieren von Mauslinien unterstützt.

Die molekularbiologischen Werkzeuge sind dafür trickreich. Mithilfe von Elektroporation wird der Kern von Stammzellen geknackt, dann wird der Vektor eingeschleust. "Das schwierigste ist herauszufinden, bei welchen Zellen dieser Vorgang geklappt hat", sagt Meixner, die diese dann herausfiltern muss. Mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR), einem molekulartechnologischen Verfahren, wird die DNA vermehrt. Verändern, die richtigen Zellen filtern und vervielfältigen, das ist die Hauptarbeit, Rückschläge sind an der Tagesordnung und zwingen die Forscher, einen Prozess wieder von vorn zu beginnen. Bis zu zwei Jahre kann das Entwickeln fortpflanzungsfähiger Mauslinien dauern, erst dann können medizinische Forschungen beginnen.

Entartung bei Leukämie

Veronika Sexl, Professorin für Signalübertragung und Entwicklung molekular gezielter Therapien an der Med-Uni Wien, erforscht bestimmte Formen von schwer behandelbarer Leukämie. Das Krebsgen, das in diesen Prozess involviert ist, heißt Bcr/abl, und Sexl beobachtet bei Mäusen, deren Blutzellen mit diesem Gen ausgestattet sind, welche körpereigenen Signale Leukämien auch tatsächlich auslösen. "Auf diese Weise suchen wir die Achillesferse leukämischer Zellen", erklärt Sexl. Die Idee: Signale blockieren und so die Entartung von Zellen stoppen - und welche genau, versucht die Medizinerin herauszufinden.

Konkret interessiert sie der sogenannte JAK-STAT-Signalweg in Leukämiezellen und die Frage, wie sie aktiviert werden und wie sie mit dem allgemeinen Immunsystem interagieren. Denn in der körpereigenen Abwehr gibt es Killerzellen (NK-Zellen), die entartete Zellen und besonders Leukämiezellen ausschalten können, auch sie hatte Sexl im Visier. "Jeder Organismus ist ein Netzwerk mit Sicherheitsnetzen, deshalb sind monokausale Erklärungen in unserem Bereich fast nicht möglich", so Sexl. (Karin Pollack/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2009)