Wien - Einen Perspektivenwechsel im großen Themenkomplex Migration bietet das Filmfestival "Blick.Wechsel" an diesem Wochenende im Wiener Schikaneder Kino. Einen Schritt weg vom oft oberflächlichen Reden über Migration hin zum Zuhören und -schauen ermöglichen 13 Filme von Regisseuren, "die wissen, wovon sie reden, wenn sie Migrationsgeschichten erzählen", wie es in der Ankündigung heißt.
"Weil es nie schadet, sich den Blickwinkel anderer auch mal anzuschauen", ist einer jener Gründe, warum die Nationalratsabgeordnete und Migrations- und Menschenrechtssprecherin der Grünen Alev Korun die Idee zu dem dreitägigen Festival entwickelt hat, das mit Hilfe der Grünen Bildungswerkstatt Minderheiten und dem Kulturhafen realisiert wird.

Den Auftakt macht Freitagabend (13.11., 19 Uhr) der Eröffnungsfilm "Memleketim - Menschen meiner Heimat" des Linzer Regisseurs Ünal Uzunkaya, der sich mit der "Zweiten Generation" und dem Wechsel von der "Opferrolle" in die "Täterrolle" auseinandersetzt. Mit dabei im bunten Reigen von österreichischen, deutschen, schweizer, französischen und britischen Beiträgen ist auch die österreichische Hoffnung auf den Auslandsoscar, Arash T. Riahis "Ein Augenblick Freiheit" (14.11., 16 Uhr). Der sensible Spielfilm über die Odyssee dreier iranisch/kurdischer Flüchtlingsgruppen zeichnet die beschwerliche Flucht nach Europa aus der Innenperspektive nach.

"Gori Vatra - Feuer" nennt sich die Komödie von Pjer Zalica, die am Sonntag (15.30 Uhr) auf dem Programm steht. Die bosnisch-österreichisch-türkisch-französische Koproduktion aus dem Jahr 2003 spielt in der kleinen bosnischen Stadt Tesanj, die drei Jahre nach dem Dayton-Vertrag (1998) durch den angekündigten Besuch des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton in Aufruhr versetzt wird. "Die Einwohner erhoffen sich durch seinen Besuch eine bessere Lebensqualität und mehr Wohlstand im vom Krieg zerbombten Städtchen", heißt es im Programmheft. "Deshalb setzen sie alles daran, sich und Tesanj von der besten Seite zu zeigen, indem sie die Schattenseiten der Stadt zu überdecken versuchen."

Neun Arbeitnehmer aus der Türkei kommen in Kenan Kilic' Dokumentarfilm "Gurbet" zu Wort. Die Zuwanderer, die 1964 als Arbeitsmigranten nach Österreich gekommen sind, erzählen in seinem Film von Hoffnungen und Ängsten. Kilic stellt hier die Frage: "In der Türkei sind sie Fremde, aber ist Österreich wirklich zur Heimat geworden?" (15.11., 17.30 Uhr). Goran Rebic thematisiert in seinem "Jugofilm" (1997) den "medial-politischen Nationalitätenwahn im Mikrokosmos einer Serbisch-Wienerischen Gastarbeiterfamilie" (15.11., 14 Uhr), Fatih Akin ist Co-Autor von "Kebab Connection" (2005) von Anno Saul, der am Sonntag (21.30 Uhr) nach dem Screening von Nina Kusturicas "Little Alien" - die im Anschluss an die Vorführung zur Diskussion lädt - den Abschluss des Festivals bildet.

Kunstfigur "Der Ausländer"

"Ausländer sind nicht die besseren Menschen", ärgert sich der Linzer Regisseur Ünal Uzunkaya in einem Pressegespräch zur Filmreihe über die Verwunderung mancher Österreicher, dass es auch unter Migranten Rassismus gibt. "Auch Migranten sind Menschen mit Wünschen und Sehnsüchten", so der Regisseur, mit dessen Film "Memleketim - Menschen meiner Heimat" das Festival "Blick.Wechsel"  eröffnet wird: "In den letzten Jahren wurde eine Kunstfigur 'Der Ausländer' kreiert. Doch auch bei ihnen wirken ganz normale Mechanismen". Jede Gesellschaft würde sich über gemeinsame Feindbilder definieren und "nur weil einer Serbokroate ist, heißt das nicht, dass er frei von Rassismus ist."

Mit der "Schwarz-Weiß-Malerei, dass Migranten entweder Täter oder Opfer" sind, will Alev Korun brechen. Es gebe nicht nur Täter auf der einen Seite und bemitleidenswerte Opfer auf der anderen. Dass im Rahmen des Festivals nur Filmemacher mit Migrationshintergrund über Migration sprechen, sei außergewöhnlich. "Normalerweise sprechen immer nur die anderen über Migration. Das ist, wie wenn der Blinde von der Farbe redet".

Dass das Festival "die Migranten" erst wieder zu einer Gruppe zusammenfasst, stört Uzunkaya keineswegs: "Kunst sollte sich an Klischees bedienen, um sie zu brechen. Klischees haben viele Nachteile, aber einen Vorteil: Sie sind leicht verständlich!" Die Tatsache, dass junge Migranten auch die FPÖ wählen, deutet der Linzer mit einem Schmunzeln so: "Das Beispiel Strache zeigt, wie integriert diese Leute sind!" Schließlich würden sich bestimmte Gruppen "erheben, weil sie jetzt jemanden haben, der noch weiter unten in der Gesellschaft ist". "Viele Migranten haben seit ihrer frühesten Kindheit Ablehnung erfahren, und das geben sie bei der ersten Gelegenheit weiter." (APA)