Feindbilder entstünden durch ein Wechselspiel von Politik, Medien und Gesellschaft, weiß Politikwissenschafter Farid Hafez. Immer noch sei das Bild des "bösen Islam" da, sagt er Nermin Ismail.

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Standard: Während einer Diskussion wurden Sie gefragt, ob die Politik beim Thema Feindbilder versagt habe. Ihre Antwort darauf war Ja und Nein. Warum?

Hafez: Bei der Konstruktion von Feindbildern bzw. bei einer Gegenwehr kann die Politik eine Rolle spielen, das ist richtig. Es wäre aber einseitig, die "Schuld" einzig und allein aufseiten der Politik zu verorten. Es ist ein Wechselspiel von Politik, Medien und Gesellschaft. Wenn die FPÖ mit islamfeindlichen Polemiken Wahlkampf führt, so darf nicht ignoriert werden, welches Image vom "bösen Islam als Weltbedrohung" medial vermittelt wird und welche Bilder über den Islam im kollektiven Gedächtnis vorhanden sind.

Standard: Wer ist aktuell das Feindbild der Politik in Österreich?

Hafez: Feindbilder wechseln und bleiben nicht immer konstant. Verschiedenste politische Parteien bedienten sich um die Jahrhundertwende etwa des Feindbilds des weltverschwörerischen Juden. In den 1980er- und 1990er-Jahren waren wir in Westeuropa vor allem mit der Ethnisierung des Politischen konfrontiert. Das sogenannte "Ausländerproblem" war in aller Munde. Heute ist es eine Religionisierung unterschiedlicher öffentlicher Debatten, die aus einer verstärkten Islamophobie hervorgeht bzw. diese erleichtert.

Standard: Es ist allgemein ein Rechtsruck in Österreich zu beobachten. Kann man diese Entwicklung den Jungwählern zuschreiben, oder hat man das Vertrauen an die Parteien verloren?

Hafez: Ich würde nicht von einem Rechtsruck sprechen. Den jungen Menschen die Schuld zuzuweisen zeugt von einer Unfähigkeit, mit der Situation umzugehen. Rechtspopulistische Parteien mobilisieren aufgrund von Angst und Frustration und täuschen die Wähler oft auf Basis von Falschinformationen und Halbwahrheiten. Das Erstarken der FPÖ und des BZÖ würde ich nicht mit einem Rechtsruck gleichsetzen, wenn auch die Stärkung der FPÖ umgekehrt das Schüren von Antagonismen salonfähiger macht. Zu beachten ist, dass die FPÖ eine Kommunikationsart gefunden hat, mit der sie Junge erreicht und die Sprache vieler Jugendlicher zu sprechen fähig ist.

Standard: Wir leben in einem besonderen Zeitalter der Kommunikation. Man hat viele Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen. Woran liegt es, dass man dennoch so viele Vorurteile gegenüber Personen mit Migrationshintergrund hat?

Hafez: Ein wichtiger Grund liegt in der Funktion von Vorurteilen. Oft werden positive Erfahrungen als "Ausnahme" gewertet. So können Vorurteile immer wieder verbreitet werden, auch wenn die tatsächliche Erfahrung dagegenspricht. Insofern verspricht auch das positiv Erlebte kein Gegenmittel gegen Vorurteile zu sein.

Standard: Welche Rolle spielt die Schule beim Abbau von Vorurteilen? Denken Sie, dass da vielfach weggeschaut wird?

Hafez: Es wäre falsch, hier eine Verallgemeinerung zu machen. Wenn wir aber den jüngsten Fall der Schülerin aus der Steiermark nehmen, deren Kopftuch angezündet wurde, so ist hier anzumerken, dass die Schulleitung erst aktiv wurde, als die Medien ihre gesellschaftskritische Rolle einzunehmen begannen und als Korrektiv fungierten. Der Vorurteilsbekämpfung eine wichtige Stellung im Schulunterricht zu geben halte ich aber grundsätzlich für wichtig.

Standard: Mit der gegenwärtigen politischen Entwicklung Österreichs stehen wir nicht alleine da in der EU. Doch was unterscheidet Österreich von den anderen Ländern, die Reinhold Gärtner in seinem Buch "Politik der Feindbilder" analysiert?

Hafez: Paradox ist, dass Österreich einerseits das erste Land ist, in dem der Islam als Religion gesetzlich anerkannt wurde und das mit der Anerkennung einer islamischen Religionsgesellschaft einen europaweit vorbildhaften Weg ging, indem es Muslimen und Musliminnen auf Basis der Religionsfreiheit die gleichen religionsrechtlichen Rechte zugesteht wie anderen Kirchen und Religionsgesellschaften. Und andererseits ist Österreich wiederum das erste und einzige Land, indem es ein Verbot von Moscheen mit Minaretten in zwei Bundesländern gibt. Das ist paradox und stellt einen Rückschritt im Grundrechtsverständnis dar.(SCHÜLERSTANDARD/11.11.2009)