Unsichtbarer Störenfried im Visier der Kamera: In Oren Pelis Horrorfilm "Paranormal Activity"  entsteht der Schrecken aus der Nähe zu einer allzu vertrauten Bilderwelt

Foto: Thimfilm

Wien - Beginnen wir bei den messbaren Fakten: Ein übernatürliches Phänomen, das gegen alle durchschnittlichen Erfahrungswerte spricht, ist der Riesenerfolg dieses Films. Oren Peli, ein gebürtiger Israeli, der mit 19 Jahren ins kalifornische San Diego kam und dort als Computerspielprogrammierer arbeitete, wollte schon immer einen Film drehen. Also tat er es, im DIY-Modus, in sieben Tagen, im eigenen Haus - was ihn gerade mal 15.000 Dollar kostete.

Der Horrorfilm machte bereits 2007 auf diversen einschlägigen Filmfestivals die Runde. Irgendwann fiel er auch in die Hände von Steven Spielberg, der - so zumindest die werbeträchtige Nachrede - dafür mehrere Anläufe brauchte, weil er sich so gefürchtet haben soll. Paramount brachte ihn schließlich mit einer an "The Blair Witch Project" angelehnten Internet-Marketingstrategie - und neu gedrehtem Ende - ins Kino. Mittlerweile hat "Paranormal Activity" an der Box Office die 100-Millionen-Dollar-Grenze überschritten.

So effizient das Konzept des Films, so ökonomisch, geradezu simpel ist seine erzählerische Basis, die den Zuschauer zum wissbegierigen Voyeur einer Art "snuff movie" , eines nicht gestellten Horrorfalls, werden lässt. Micah (Micah Sloat) überrascht Freundin Katie (Katie Featherston) mit einer neu erworbenen Kamera. Seit einiger Zeit werden die beiden nachts von merkwürdigen Geräuschen geweckt, nun will man dem Verursacher auf die Schliche kommen und ihn optisch festhalten. Der Apparat wird auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes postiert, das Geschehen im Dunkel aufgezeichnet.

Mögliche, das Paarleben animierende Nebeneffekte, die vor allem Micah vorschwebten, sind bald vergessen. Es beginnt, wie immer in solchen Fällen, mit kleinen Irritationen. Geräusche. Die Tür des Zimmers bewegt sich. Und dann steht Katie eines Nachts auf und wippt seltsam auf der Stelle, um in dieser Position schließlich stundenlang zu verharren. Man verrät nicht zu viel, wenn man noch erwähnt, dass dies erst der Anfang einer Konfrontation mit einer Macht ist, die Katie schon seit Kindheitstagen verfolgt.

Ein nomadischer Geist

Anders als in Haunted-House-Gruselfilmen, wo der Schrecken eines zurückliegenden Verbrechens gleichsam für immer eingezogen ist, hat man es in "Paranormal Activity" mit keinem sesshaften, sondern mit einem wendigen und persönlicheren Gegenüber zu tun. Micah betrachtet die Auseinandersetzung mit dem Eindringling so auch bald als seine Mannespflicht. Doch wie bekämpft man einen unsichtbaren Feind? Und lockt man den Konkurrenten mit Provokationen nicht noch mehr an? Oren Peli ist clever genug, nie zu viel an Informationen preiszugeben und nie zu viel zu visualisieren. Sympathisch altmodisch mutet sein Umgang mit dem Medium Video an, das hier gerade durch das Schüren der Erwartung, es würde etwas offenbaren, seine stärkste Wirkung entfaltet.

Umso zeitgenössischer erscheint dafür das Setting dieses so durchschnittlichen US-Haushalts und seiner so durchschnittlichen Bewohner, die von jedem Außen merkwürdig isoliert scheinen. Nichts deutet bei Katie und Micah auf etwas so Anachronistisches wie einen Dämon hin. In der Normalität des aufgezeichneten Alltags liegt aber der Kern des Films - ein Alltag, der den unzähligen profanen Lebensausschnitten, die über Plattformen wie Youtube abrufbar sind, recht ähnelt.

Oren Pelis Strategie der Verunsicherung setzt auf die Störung dieses vertrauten Bilderarchivs - das Unheimliche liegt hier ganz nah beim Heimlichen, dem allzu Bekannten, wie das schon Freud bemerkt hat. Das mag auch die Faszination von "Paranormal Activity" erklären, einem Film, der keine inhaltlichen Neuerungen aufbietet, sondern seinen ganzen Schrecken durch eine mediale Übertragung generiert. Er findet ein Fenster zu einer von vielen geteilten Intimität - und damit auch zu ihren inneren Ängsten. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2009)