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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zählt zu den bunteren Figuren der Regierung: Obwohl sie Unerhörtes fordert, bleibt das Etikett der Männerfresserin an ihr nicht kleben.

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Wien - Es gibt Männer, von denen sogar Emanzen etwas lernen können. Don Quijote zum Beispiel, die Romanfigur von Cervantes. "Man muss an das Unmögliche glauben, damit manches möglich wird", sagt Gabriele Heinisch-Hosek: "Auch ohne alles erreicht zu haben, kann man auf ein erfülltes Leben zurückblicken." Wie der Mann von La Mancha, der sein eigenes Dasein als glücklich empfunden habe.

Windmühlen stehen in Heinisch-Hoseks politischem Leben genug herum, und das Scheitern scheint unausweichlich. Die Ministerin aus Niederösterreich kämpft mit Minibudget gegen Riesenprobleme. Sie hat nichts zu verteilen, muss mächtigen Männern etwas wegnehmen - den Platzhirschen in den Unternehmen, die keine Frauen in die Chefetagen lassen, den bulligen Gewerkschaftern, die den Beamten satte Saläre über magere Jahre retten wollen. Doch trotz übergroßer Gegner hat sich in ihrem ersten Amtsjahr gezeigt: Eine traurige Gestalt gibt Heinisch-Hosek nicht ab.

Feministin ohne Flinte

Die 47-Jährige aus Guntramsdorf südlich von Wien hat es nicht schon immer gewusst. Es ranken sich keine Sandkastenlegenden um ihre Vita, sie handelt von einem "angepassten Mädchen", das erst mit 24 von zu Hause ausgezogen ist. Die Mutter war gelernte Näherin wider Willen, weil ihr einst eingeredet worden war, dass eine Frau so etwas können müsse; der Vater, ein Schlosser, sah seine Gattin lieber daheim bei den beiden Kindern. "Das g'hört sich schon so", dachte sich Tochter Gabriele, eine "Spätentwicklerin" nach Eigendefinition: "Für mich war die Welt in Ordnung, wenn ich gute Noten nach Hause gebracht habe."

Nur langsam wuchs die Lust, aus der Rolle zu fallen: erst bei den Kinderfreunden, wo sie für Bildungsarbeit zuständig war, später im Gemeinderat von Guntramsdorf, in den sie 1990 für die SPÖ einzog. "Wenn wir ein Maifest machen, kümmert ihr euch eh ums Buffet?", verteilten die Männer die Aufgaben, die alteingesessenen Frauen warnten: "Mit deinen Ideen kommst du nie durch!" Ihr "feministischer Kampfgeist" war damit erwacht, erzählt Heinisch-Hosek: "Irgendwann willst du dann nicht mehr zurück."

Als "irrsinnig lernfähig" beschreibt sie Alfred Gusenbauer, als "Lesende und Reisende", die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gehe. Der Exkanzler ist mit Heinisch-Hosek und ihrem Ehemann Walter nicht nur befreundet, er gilt auch als Fürsprecher. Im roten Krisenjahr 1999 zog die Nachwuchshoffnung in den Nationalrat ein, Ministerin wurde sie nach einem Intermezzo als niederösterreichische Landesrätin aber erst unter Gusenbauers Nachfolger Werner Faymann. "Seither ist sie ordentlich gewachsen", findet Petra Wrabetz, Ärztin und Gattin des ORF-Chefs, die an ihrer Freundin neben "sozialem Tiefgang" und "Authentizität" auch schätzt, "dass sie kein Flintenweib ist. Emanzentum kann ja auch nerven."

Machtarme Ministerin

Obwohl sie Unerhörtes - etwa Strafen für Unternehmen, die Frauen unterbezahlen - fordert, bleibt das Etikett der Männerfresserin an Heinisch-Hosek nicht kleben. Im Gegenteil: Auf ÖVP-Seite erwuchs ihr mit Staatssekretärin Christine Marek eine Rivalin, die ihr den Nimbus der modernen Vorzeigefrau streitig macht; bei den Verhandlungen zum neuen Kindergeld verstrickten sich die beiden in Scharmützeln, die nach kleinlicher Eifersüchtelei rochen.

Allen Fallen ausgewichen ist Heinisch-Hosek bisher im Clinch mit den Beamten. Konsequent wehrt sie üppige Forderungen ab ("1,5 Prozent Gehaltserhöhung sind undenkbar"), ohne sich mit unausgegorenen Vorstößen oder flapsigen Sticheleien zum Feindbild der Gewerkschaft zu machen. Will die Regierung mit einer Schlankheitskur für den Verwaltungsapparat Ernst machen, könnten die laufenden Verhandlungen freilich nur die Ouvertüre zum großen Drama sein.

Gegenspielerinnen aus der Opposition sprechen von "Ankündigungspolitik", wenn die machtarme Ministerin neue und vorläufig folgenlose Schritte zur Frauenförderung ankündigt. Doch aus dem medialen Match steigt Heinisch-Hosek nicht schlecht aus. Sie punktet, indem sie auf Fragen auch Antworten gibt und nicht bloß in den Phrasenbaukasten greift. Im Zeitalter angsthasiger Stromlinienpolitiker fällt so jemand auf.

Die Gabe, sich klar auszudrücken, hat Heinisch-Hosek in ihrer ersten Karriere erworben - noch so eine Geschichte, die ihr eher "passiert" ist, als dass sie geplant war. Weil sie zwar ein Lehramtsstudium für Deutsch und bildnerische Erziehung, jedoch das für Niederösterreich falsche Parteibuch hatte, fand sie Anfang der Achtziger nur in Wien einen Job. Die Jungpädagogin landete in einer Sonderschule für Schwerhörige - und blieb dort 18 Jahre hängen.

Die gewonnenen Eindrücke ließen sie nicht mehr los. Jahre später, bereits als Parlamentarierin, wählte sie einen schwerbehinderten Buben, der als Säugling ins Koma geschüttelt worden war, zum Patenkind. Tage und Nächte verbrachten die Heinisch-Hoseks auf der Pflegestation, das höchste der Gefühle war, den Kleinen inklusive Atemgerät für ein Wochenende mitzunehmen. Nach drei Jahren starb der Bub. "Zum Festhalten" trägt Heinisch-Hosek bis heute ein Kreuz um den Hals, obwohl sie schon vor langer Zeit - natürlich wegen der Frauenfeindlichkeit - aus der Kirche ausgetreten ist. Auch ihre Ohrringe mit Raffaels Engeln sind ein Trauersymbol.

Ein Wirtshaus als Traum

Das Motiv passt zum Kunstsinn der Hobbymalerin, nicht jedoch zum politischen Anspruch. Als Engerl will die selbsterklärte Emanze Frauen nicht sehen. Sie ärgert sich über die Heimchen-am-Herd-Ideologie, die in Köpfen junger Männer eine Renaissance erlebe, und auch über die "verkrustete" SPÖ, in der ihre Frauenquoten nicht eingehalten werden. "Zum Aus-der-Haut-Fahren" findet es Heinisch-Hosek, wenn sich Mädchen in Gehorsam gegenüber der Schönheitsindustrie an Nase, Busen oder Schamlippen herumschnippeln lassen - wiewohl sich selbst eine Frauenministerin mit dem Marktdiktat arrangieren muss. Ganz ohne Stylingberatung, davon zeugen Archivfotos, lief ihr Aufstieg in die Regierung offenbar nicht ab. Auch Politik hat mit Casting zu tun.

Nur ein scheinbarer Widerspruch ist, dass Heinisch-Hosek ganze Wochenenden in der Küche verbringt - schließlich kocht sie freiwillig und gern. Und so gibt es einen Traum abseits von Gleichberechtigung und Frauenpower: "Ein eigenes Wirtshaus aufsperren." (Gerald John, DER STANDARD/Printausgabe 21.11/22.11.2009)