Herbert Bösch (SPÖ) bei der Präsentation des Bürgerforums "Europa 2020": "Ich habe es für unglaublich gehalten, dass man gesagt hat, der Herr Gusenbauer wird nicht gehandelt. Als Österreicher muss ich ihn doch den selber ins Spiel bringen, das wird wohl kaum jemand aus Zypern oder Lettland machen."

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"Das Prozedere rund um den Vorschlag des Herrn Hahn als EU-Kommissar war nur peinlich", sagt der ehemalige Europarlamentarier der SPÖ, Herbert Bösch. Er sieht den Leserbrief von Faymann und Gusenbauer an die Krone immer noch als "eine Selbstaufgabe der sozialdemokratischen Europapolitik" und glaubt, wegen seiner Kritik nicht mehr im EU-Parlament zu sitzen. derStandard.at fragte bei Bösch nach, ob die Enttäuschung über die SPÖ der Grund für seine Teilnahme am Bürgerforum "Europa 2020" ist, das er gemeinsam mit dem verhinderten Vorstimmenwahlkämpfer der ÖVP, Othmar Karas, gründete. Die Fragen stellte Michael Kremmel.

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derStandard.at: Warum unterstützen Sie die Initiative "Europa 2020" vom ÖVP-Politiker Othmar Karas, schließlich sind sie SPÖ Mitglied?

Herbert Bösch: Das ist keine Unterstützung, wir haben das Forum gemeinsam gegründet. Das sollte man klarstellen. Außerdem ist es überparteilich, insofern sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch. Da sind ja auch noch andere, nicht ganz unbekannte Sozialdemokraten dabei. Ich bin ja nur Mitbegründer. Ich bin aber nicht als Parteifunktionär dabei, sondern als Bürger. Uns verbindet die Tatsache, dass wir glauben, dass der europapolitische Kurs dieses Landes deutlich verändert gehört.

derStandard.at: Was erhoffen Sie sich vom Bürgerforum?

Bösch: Wir müssen ein Stück mehr von Europa nach Österreich herein tragen, damit man sieht, dass in Europa Politik gemacht wird wie zu Hause. Die künstliche Entfremdung, die da zum Teil geschaffen wird, wollen wir loswerden. Als Bürgerbewegung wollen wir ein Stück europäische Kultur nach Österreich bringen. Das können wir durchaus vertragen.

Wir sind nicht immer das Vorzeigeland, für das wir uns halten. Gleichzeitig wollen wir die Überlegungen der Bewegung auch nach Europa tragen, damit man sieht, hier gibt es eine Zivilgesellschaft die europäisch denkt. Wichtig ist es, dieses Denken nicht den Boulevardschlagzeilen opfert. Das war für mich ja das Problem. Der Leserbrief an die Krone war eine Selbstaufgabe sozialdemokratischer Europapolitik.

derStandard.at: Sie sind nun nicht mehr aktiv in der Politik. Hat Ihnen die offene Kritik schlussendlich den Job gekostet?

Bösch: Es gibt Leute, die das sagen und ich sehe das auch so. Ich habe nie gehört, ich hätte meinen Job schlecht gemacht. Ich bin dann eben plötzlich auf einem unwählbaren Platz aufgetaucht. In der Sozialdemokratie müssen wir da eine Streitkultur entwickeln. Wertedebatten finden seit vielen Jahren nicht mehr statt. So rinnt die SPÖ langsam aus. Die historische Entwicklung der Sozialdemokratie ist vorgezeichnet, wenn sich da radikal nichts ändert. Bis heute hat mir niemand erklären können, über welche Verträge wir eine nationale Volksabstimmung machen sollen.

derStandard.at: Machen Sie also beim Bürgerforum mit, weil Sie von der SPÖ enttäuscht sind?

Bösch: Auch, zumindest was die Europapolitik anbelangt. Ich weiß, man kann Europapolitik und nationale Politik nicht so stark abgrenzen, aber mein Aufheulen war ja vor allem beim europapolitischen Fauxpas mit der Kronen Zeitung. Da muss eine radikale Änderung des Zugangs zu Europa her. Und wenn das innerhalb der Parteien nicht funktioniert, dann geht es vielleicht oberhalb der Parteien. Was immer die Herren Karas und Voggenhuber ideologisch von mir trennt, gemeinsam wollen wir ein starkes Europa. Das verbindet uns.

Wir wollen, dass Österreich einen offensiven Zugang wählt, nicht das was wir in den letzten Jahren gesehen haben, bestenfalls Teilnahmslosigkeit. Besonders wenn man die kleinen Leute vertreten will, ist das ein schwerer Weg gegen die Leserbriefseiten anzutreten, aber es ist die verfluchte Aufgabe einer politischen Partei. Man muss sich hinstellen und sagen: Das will ich und das vertrete ich. Wenn man das nicht mehr macht, stellt man den Sinn einer Partei in Frage.

derStandard.at: Hat sich seit dem Leserbrief in der österreichischen Europapolitik etwas verbessert?

Bösch: Nein, ich sehe da nichts. Das Prozedere rund um den Vorschlag des Herrn Hahn als EU-Kommissar war nur peinlich und das auch noch vor den Augen des Kommissionspräsidenten, der zu Gast war. Dazu noch die Meinung, Österreich würde sowieso ein Top-Ressort bekommen, da fehlt einigen Personen das kleine Einmaleins. Es ist ja nicht so, dass die europäischen Institutionen auf uns warten.

Wenn ich daheim nicht weiß was ich will, wie soll ich dann in Europa zum Zug kommen. Ich habe es für unglaublich gehalten, dass man gesagt hat, der Herr Gusenbauer wird nicht gehandelt. Als Österreicher muss ich ihn doch selber ins Spiel bringen, das wird wohl kaum jemand aus Zypern oder Lettland machen.

derStandard.at: Hat hier der Bundeskanzler versagt?

Bösch: Ich weiß nicht, wer da versagt hat. Die Vorstellung rund um die Besetzung war aber eine blamable. Wir sind das inzwischen vielleicht gewöhnt, aber im europäischen Ausland und vor allem von der Kommission wird das sehr wohl wahrgenommen. Da kann es dann schon sein, dass unsere Anliegen dann auch einmal sekundär behandelt werden. Auch in Brüssel heißt es, wie man rein ruft, so kommt es zurück. (derStandard.at, 25.11.2009)