13 junge Frauen auf der Suche nach Glanz und Glamour: Am Mittwoch startet auf Puls 4 bei "Austria's Next Topmodel" der Run auf den Catwalk.

Foto: Puls 4

Mit der zweiten Staffel von "Austria's Next Topmodel" hofft Puls 4 auf Bestquoten. Modelshows setzen auf ein Regelwerk, das sich an alten Mythen orientiert.


Wien – Den Modelschülerinnen in den USA geht langsam die Luft aus: Schlanke 3,6 Millionen wollten vergangenes Wochenende die inzwischen 13. Siegerin von "America's Next Topmodel" sehen. Zu Höchstzeiten schaffte die Show mehr als das Doppelte. Das US-Publikum leidet nach der Castingschwemme der vergangenen Jahre endgültig an Übersättigung.

Hungriges Publikum wünschen sich österreichische Nachwuchsmodels ab Mittwoch auf Puls 4. Zum zweiten Mal startet der Privatsender das Casting: Über zwölf Wochen versuchen sie sich in einem Paralleluniversum, das Schöpfungen wie den "Winterwalk", Herausforderungen wie "längster Laufsteg der Welt" am Ende eine Belohnung wie "Brunotti-Testimonial für Hervis, geshootet in Südafrika" bereithält.

Zielvorgaben

"Zuschauerzahlen im sechsstelligen Bereich also über 100.000 Zuseher und Marktführer bei den jungen Frauen zu sein", wünscht sich ProSiebenSat.1-Chef Markus Breitenecker. Gut möglich, dass er das schafft. Casting gehört in Österreich noch zu den Bringern. Zuletzt waren etwa auf ATV 443.000 Zuschauer bei "Bauer sucht Frau" dabei: Das erste Mal ließ der Privatsender an diesem Abend den ORF hinter sich.

Nachwuchsmodels suchen mittlerweile Sender in mehr als 40 Ländern von Aruba bis Westafrika. Gründe für den weltweiten Erfolg sieht die Filmwissenschafterin Andrea B. Braidt in Parallelläufen von Casting und alten Erzähltraditionen. Die Modelsuche folge dem Melodrama, erklärt Braidt: "Das Melodram ist auf die Gefühlswelt der Figuren konzentriert und richtet die Aufmerksamkeit auf die Zukunft."

Wird sie weiterkommen?

Das "Werden sie einander kriegen?" findet eine Entsprechung in der Frage: "Wird sie weiterkommen?" Daraus ergibt sich wie von selbst ein Spannungsbogen. Rückgriffe auf klassische Mythologien erlauben zudem allzeit gültige Heldengeschichten, die sich in der Modelsuche ebenfalls finden.

"Model Castingshows sind wie die Army Boot Camps, die man aus diversen amerikanischen Filmen kennt", pflichtet Diagonale-Chefin Barbara Pichler bei: "Die Rekrutin wird von harten, aber eigentlich wohlmeinenden Schleifern gebrochen, um aus der Erfahrung als stärkeres und überlebensfähigeres Individuum hervorzugehen." Das fasziniert nicht nur pubertierende Mädchen, sondern erreicht Erwachsene.

Wer solche Erfolgsfaktoren nicht beachtet, verliert. Schlechte Erfahrungen mit Casting macht derzeit der ORF: Promis, die sich mit Armin Assinger auf "Das Rennen" vorbereiten, verloren nach der ersten Folge rund 180.000 Zuschauer. Der Marktanteil fiel von 24 auf 18 Prozent. Bei Das Rennen fehlt die Dramaturgie des Melodrams. Was bleibt ist der "Gaudi"-Faktor. Ihn lösen die Promis aber nicht ein: Für voyeuristische Erlebnisse entblößen sich die mit Skikleidung, Helm und Skibrille ganzkörperverhüllten Nachwuchsrennfahrer nicht genug. Und beim Stürzen in den Schnee zu beißen, ist ebenfalls weitaus uninteressanter als Maden zu verspeisen. Das Moment der Schadenfreude hält sich demzufolge bescheiden.

Haufenweise Mädchen

Die Kombination Schadenfreude und Voyeurismus befolgt die Modelshow zu hundert Prozent, sagt Pichler: "Auf jeden Fall gibt es haufenweise hübsche Mädchen anzuschauen, sehr oft auch noch in emotionalen Ausnahmezuständen – es gibt also immer was zu lachen oder mitzuleiden oder auch Grund zum Fremdschämen."

Dem dritten Erfolgsrezept erliegt auch Pichler, nämlich sich so richtig über das Gebotene ärgern zu können: "Was mich wahnsinnig macht, sind die dramaturgischen Kniffe, die bei allen Reality-Formaten eingesetzt werden: Das ständige Vor- oder Nacherzählen und Zusammenfassen von Aussagen durch den Off-Sprecher." Das dient der Länge: Würde man alle Off-Texte streichen, wäre jede Folge einer Casting-Show maximal halb so lang. Rasend machen Pichler die immer wieder kehrenden Elemente der Spannungsdramaturgie. Pichler erläutert den Mechanismus der "wahnwitzigen Überdosierung: 'Du wirst nächste Woche... ewige Pause, Schnittorgie von Großaufnahme zur Totalen zur Großaufnahme, zitternde Hände, Tränen in den Augen, Händchenhalten mit der Kontrahentin etc.... wieder dabei sein.' Langweilig!"

"Frauenbild"

Endgültig schlecht weg kommen die Models beim Stichwort "Frauenbild": Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sieht sich die Shows nicht an, "weil sie ein Frauenbild reproduzieren, das nur auf Schönheit und Schlankheit ausgerichtet ist." Die Show vermittle, "dass Äußerlichkeiten das Um und Auf sind. Und darauf folgen dann oftmals Schönheits-OPs bei Minderjährigen und Mädchen, die einfach nicht mehr essen wollen und können", sagt Heinisch-Hosek. Ihr Ziel sei es, "Mädchen in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken, damit sie sich nicht durch solche Sendungen in ihrer Entwicklung beeinflussen lassen."

Pichler hält das Frauenbild in "im Grunde genommen zum Weinen. Nicht, weil das Modeln so verdammenswert wäre, sondern weil die immer gleichen Schablonen zum Einsatz kommen." (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 25.11.2009)