Wien - Für Erstaunen quer durch die Fraktionen hat am Mittwoch im Untersuchungsausschuss der Chef des Verfassungsdiensts im Kanzleramt, Georg Lienbacher, gesorgt. Aus seiner Sicht haben die Abgeordneten bei der Prüfung der Arbeit der Staatsanwaltschaft ihre Kompetenzen nämlich deutlich überschritten. Grund: Seit Anfang 2008 gelten die Staatsanwälte als Organe der Gerichtsbarkeit und unterliegen damit nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle.

Seit 1. Jänner 2008 gelten die Staatsanwälte als "Organe der Gerichtsbarkeit" (Art. 90a B-VG) und (so steht es in Art. 94 der Bundesverfassung) "die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt". Daraus folgerte Lienbacher bei seiner Aussage im U-Ausschuss, dass das Parlament - das ja nur zur Kontrolle der Verwaltung, nicht aber der Gerichtsbarkeit berufen ist - auch die Arbeit der Staatsanwälte nicht durchleuchten darf. Einzige Ausnahme: Die Ausübung des Weisungsrechts der Justizministerin über die Anklagebehörden unterliegt weiterhin der parlamentarischen Kontrolle.

Aussage verweigern

Laut Lienbacher war dieser Effekt vom Gesetzgeber zwar nicht gewollt, ist aufgrund der Verkettung der einzelnen Verfassungsbestimmungen mit der neuen Strafprozessordnung aber automatisch eingetreten. "Ich weiß schon, dass keiner daran gedacht hat, dass das eine solche Konsequenz hat", so Lienbacher, aber: "Wenn man mit der Verfassung einen Dominostein umlegt, fallen gleich ein paar andere mit." Gegenüber der APA ergänzte Lienbacher, dass die im Ausschuss befragten Staatsanwälte damit aus seiner Sicht eigentlich verpflichtet gewesen wären, ihre Aussage zu verweigern.

Eigentlicher Aufhänger der Aussage Lienbachers im Ausschuss war die Frage, ob der Verfassungsschutz Abgeordnete warnen darf, wenn er - wie in der "Causa Alijew" - vermutet, sie könnten von ausländischen Geheimdiensten instrumentalisiert werden. Seine Antwort in aller Kürze: Der Verfassungsschutz ist nicht verpflichtet, die Abgeordneten zu informieren. Eine Information auf freiwilliger Basis ist zwar möglich, allerdings nur dann, wenn die Amtsverschwiegenheit dem nicht entgegensteht. (APA)