Eher eine Enttäuschung droht Wissenschaftsminister Johannes Hahn beim Wechsel nach Brüssel. Sollte er das Forschungsdossier erhalten, wird es weniger Zuständigkeiten als bisher haben. Wie berichtet, könnte die Industrieforschung zum Industriekommissar wandern (im Gespräch dafür der Deutsche Günther Oettinger). Und auch die Nuklearforschung soll abwandern, dem Energie-Ressort zugeschlagen werden, mit ihr fünf Milliarden Euro Budget, die im Rahmenprogramm für 2007 bis 2011 vorgesehen sind. Möglicherweise wird dieses Ressort durch zusätzliche Aufgaben aus dem Bildungsbereich aufgewertet. Es ist von einer verstärkten Vernetzung von Forschung, Bildung und Innovation die Rede, einem „knowledge commissioner". Dafür interessiert sich auch der Slowene Janez Potocnik.

Die älteste Kandidatin für die neue EU-Kommission ist 68 Jahre alt, und sie ist gleichzeitig eine der profiliertesten Personen in José Manuel Barrosos künftiger Brüsseler Truppe: Neelie Kroes.
Die „eiserne" Niederländerin war bisher für Wettbewerb zuständig. Ihre Wiedernominierung durch die schwarz-rote Koalition in Den Haag ist bemerkenswert. Kroes gehört als Liberale der Opposition an. Sie war als Nachfolgerin der Britin Catherine Ashton für Außenhandel im Gespräch, die nun EU-Außenministerin ist. Kroes wäre aber auch für Neue Technologien rund um Telekom zu haben. Aber alle Personalspiele sind noch mit Vorsicht zu sehen.
Noch hat Barroso nicht definitiv entschieden. Der jüngste EU-Kommissar wird mit 40 Jahren der Rumäne Adrian Ciolos sein: Er könnte nun doch Agrarkommissar werden, weil kein anderer sich anbietet, obwohl es dagegen große Bedenken im EU-Parlament gibt. Rumänien ist eines der großen Agrarländer der Union.

Ciolos müsste sich bei der Anhörung strenge Fragen im EU-Parlament anhören. Noch umstrittener als er könnte der Italiener Antonio Tajani werden, bisher Verkehrskommissar, Vertrauter des Medienzaren Silvio Berlusconi. Er könnte zur Informationsgesellschaft wechseln, also für Medien zuständig sein. Viviane Reding aus Luxemburg soll im Gegenzug Kommissarin für Migration und Asyl werden, im Parallellauf mit der Schwedin Cecilia Malmström für Justiz und Grundrechte.

Günther Oettinger ist - wie der Finne Olli Rehn - aber auch für die Energieagenden im Gespräch.

Daneben wird es einen eigenen Klimaschutzkommissar geben, aussichtsreiche Kandidatin ist die Dänin Connie Hedegaard. Barroso strebt einen Umweltkommissar mit reduzierter Zuständigkeit an.

Der Kampf um die zentralen Wirtschaftsdossiers - Wettbewerb, Wirtschaft und Währung, Binnenmarkt - tobt zwischen den großen EU-Ländern. Der Franzose Michel Barnier ist neben Rehn heißer Kandidat für Binnenmarkt, abgespeckt um die Finanzmarktregulierung, was Briten und Londoner City besänftigen würde. Der Spanier Joaqín Almunia könnte Wettbewerb bekommen - oder wegen der Krise Wirtschaft/Währung behalten. (Thomas Mayer aus Straßburg/Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2009)