Das heimische Songwriterprojekt "Nowhere Train"  wartet auf Anschluss. Ab sofort ist es wieder auf Österreich-Tournee.

Foto: Halleluyah

... zu Orten, in denen moderne Musik sonst nur im Radio und Internet stattfindet.


Wien - Unter allen Begriffen, die von der sogenannten breiten Öffentlichkeit nicht gern gehört und vor allem im strunzbunten Kleinformat nicht dringend gelesen werden wollen, steht jener des "Vagabundismus" ganz oben auf der Abschubliste. Daheim bedeutet in der kleinen, feinen Welt des lokalpatriotischen Deppentums, ganz im Sinne der oberösterreichischen Landeshymne, ausschließlich eines: Wer nicht fort muss, der bleib. Allerdings auch: Wer kommen will, soll Touristensteuer zahlen - und sich gemeinsam mit der Schneeschmelze wieder Richtung Donaudelta vertschüssen.

Rock 'n' Roll, wie noch jede mit ständigem Ortswechsel verbundene Kunst, gilt dementsprechend als eine Lebensform, die nicht gern sät, weil sie lieber erntet. Stichwort: Überfall ist unsere Landwirtschaft. Früher wurde das im deutschen Heimatfilm gern als Puszta-Idylle mit singenden und tanzenden "Zigeunern" , also dem Klischee des fahrenden Volkes schlechthin, verklärt, siehe etwa: Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin. Heute kommt selbst die hinterletzte niederösterreichische Boyband über angloamerikanischen Gangster-Beats nicht mehr ohne ein Bekenntnis zur Heimat und zum Lagerhaus aus. Das sind die kalten Fakten unseres Lebens.

Das heuer im Mai erstmals in Aktion getretene heimische Songwriterkollektiv Nowhere Train bereist ab sofort wieder Österreich. Es wollte und will - und dies ist ein entscheidender Faktor - überprüfen, wie heimisch man mit Kunst in der Fremde werden kann. Bespielt wurden und werden vorzugsweise ungewöhnliche Orte abseits der üblichen fünf Konzertbühnen in vier Landeshauptstädten. Auf dem Plan standen im Mai unter anderem ein Bauernhof in Kärnten, ein Jugendgefängnis, ein oberösterreichisches Baumhaus, eine Kirche oder auch eine temporäre Kunstinstallation am Ende der Welt in Niederösterreich.

Fünf Musiker, ein Tagebuchautor und ein Kamerateam dokumentierten diesen Versuch mit einem Festprogramm, das jetzt im Wiener Schikaneder-Kino und ab Samstag österreichweit mit Konzerten und Filmdokumentation präsentiert werden wird.

"Etwas Besseres als den Tod findest du überall" , sagt der Esel zum Hahn. Mit dem Motto der Bremer Stadtmusikanten starten die mit akustischen Gitarren, Mandolinen und Banjos bewaffneten Songwriter Frenk Lebel, Stephan Stanzel (A Life, A Song, A Cigarette), Ian Fisher, Jakob M. Kubizek (Love & Fist) sowie Stefan Deisenberger von Naked Lunch und FM4-Ombudsmann Hosea Ratschiller, um "Oden an das Unbekannte" anzustimmen, in Bewegung zu bleiben - und dabei vielleicht auch kurz einmal anzukommen. Mitunter werden eventuell gemeinsam und rituell Belustigungsmittel eingenommen werden sowie Feinde zu Freunden gemacht. Dass ist zeitgenössischer Vagabundismus. Wir sind dafür. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11.2009)