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Edip Sekowitsch wurde in seiner aktiven Laufbahn der "Stier von Serbien" genannt

Foto: AP/Pfarrhofer

Wien - "Außerhalb des Rings, im sogenannten Lebenskampf, geht es meist noch viel brutaler zu als bei uns." Mit diesem Zitat des Ex-Boxers Edip Sekowitsch beginnt Staatsanwalt Leopold Bien den Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des Ex-Weltmeisters im Superweltergewicht. Es ist Mittwochfrüh, Saal 303 im Landesgericht Wien ist voll besetzt, im Publikum sitzen breitschultrige Männer in schwarzen Lederjacken.

Auf der Anklagebank hört Zaurbek B. mit geducktem Kopf und zitternden Fingern, die ein Taschentuch kneten, was Bien ihm zur Last legt: Der 27-jährige Tschetschene habe Sekowitsch am 26. August 2008 in dessen Lokal "Champs Pub" am Wiedner Gürtel ermordet. Gegen 5.30 Uhr sei ein Streit zwischen den beiden eskaliert, B. habe den "Stier von Serbien" mit einem Messer durch vier "gezielte Stiche in lebenswichtige Körperbereiche" getötet. Der vermutlich tödliche Stich sei mit so einer Wucht geschehen, dass die Wunde sechs Zentimeter tiefer war als die Klinge lang.

Kein brutaler Schläger

Der 50-Jährige sei "absolut nicht das gewesen, was man sich unter einem brutalen Schläger vorstellt", habe sich gegen Gewalt in Schulen engagiert. Privatbeteiligtenvertreter Rudi Mayer, der das Opfer "seit 15 Jahren aus dem Boxclub" kannte, bestätigt dieses Bild. B. dagegen zeichne laut Bien "leichte Erregbarkeit" und "Frustrationsintoleranz" aus. Unzurechnungsfähig sei er aber nicht gewesen, trotz der 1,77 Promille Alkohol.

Verteidiger Lennart Binder plädiert auf Totschlag oder Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Sekowitsch habe B. provoziert. Zudem sei B. zugutezuhalten, dass er vor Rettung und Polizei nicht geflohen sei.

Dann ist der Angeklagte am Wort. Und im Gegensatz zu den bisherigen Einvernahmen kann er sich nun "an fast alles" erinnern, was passierte, als er den letzten Zug nach Graz verpasst und die Nacht durchgemacht hat, bis er der letzte Gast im Lokal war.

"Ich wollte ihm zeigen, dass er das mit mir nicht machen kann"

Sekowitsch und B. hätten gestritten. Der Boxer habe gesagt, Muslime seien schuld am Terrorismus. B. sei wütend geworden, sie hätten begonnen, sich zu prügeln. B. habe gewusst, er sei chancenlos. "Ich wollte ihm zeigen, dass er das mit mir nicht machen kann."

Wann und wie er sein Klappmesser, das er immer bei sich trage, eingesetzt habe, daran erinnere er sich nicht mehr. Er wisse, er habe das getan, sei aber kein Mörder. Selbst eine kleine Maus, die in die Ecke gedrängt wird, zeige irgendwann Zähne, sagt er. "Ich habe aber nie daran gedacht, jemanden zu töten." Ein Urteil soll kommenden Mittwoch fallen. (Gudrun Springer, DER STANDARD Printausgabe 26.11.2009)