Als Mohamed ElBaradei 1997 sein Amt als Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) antrat, hatte die Organisation - oder besser jener Teil der IAEO, der als "Nuclear Watchdog" (nuklearer Wachhund) bezeichnet wird - gerade eine Stärkung erfahren: Die Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrags (NPT) sollten ein in jahrelanger Arbeit erarbeitetes Zusatzprotokoll unterzeichnen, das der IAEO mehr Kontroll- und Inspektionsrechte einräumen und den Unterzeichnern neue Pflichten auferlegen sollte.

Zwölf Jahre später steht das "Zusatzprotokoll" von 1997 noch immer als Meilenstein da - aber umso größer ist das Bewusstsein, dass die großen Herausforderungen der nuklearen Nonproliferation nicht nur technischer, sondern vor allem politischer Natur sind. Der Atomstreit mit dem Iran lässt sich leicht darauf reduzieren, dass da ein äußerst unsympathisches Regime etwas tut, was es nicht tun sollte - weil es eine Unterschrift unter den NPT geleistet hat. Ob es dadurch der Rechte verlustig geht, die es unter diesem NPT jedoch eigentlich hat - im konkreten Fall die Urananreicherung -, ist eine rein politische Frage. Die hier ohne Zweifel mitentschieden wird durch die aggressive Rhetorik Teherans gegen Israel. Aber zur politischen Seite gehört auch die Gefahr, dass der Iran den NPT überhaupt verlässt. Was dann?

In diesem Zusammenhang ist auf ein oft übersehenes schweres Erbe der US-Regierung von George W. Bush zu verweisen: Sie stellte Indien - einem Land mit Atomwaffen, das den NPT nicht unterzeichnet hat - im Nachhinein quasi einen Freibrief aus. Indien steht außerhalb des NPT, dennoch kooperieren die USA auf nuklearem Feld mit dem Land. Das ist eine klare Verletzung des Gedankens des NPT, von der der Iran viel ableiten kann.

Jedes Land hat seine eigene nukleare Geschichte, wie etwa Israel, das das einzige Land der Welt ist, von dessen Tilgung von der Landkarte seine Feinde träumen. Jeder andere Regierung eines Staates in dieser Situation hätte das getan, was der NPT-Nichtunterzeichner Israel in den 1960er-Jahren gemacht hat: Atomwaffen entwickeln.

Dennoch bleibt es für andere - etwa Ägypten, das als Teil des Friedensprozesses mit Israel sehr bewusst auf ein Atomprogramm verzichtet hat - ein politisch harter Brocken, wenn da ein Land von anderen die Einhaltung von Regeln eines Systems einfordert, das es für sich selbst nicht einmal in Betracht zieht.

Dafür ist keine Lösung in Sicht - heute weniger denn je. Dennoch scheint sich auf Makroebene etwas zu tun. Mit dem Amtsantritt von Barack Obama ist insofern eine prinzipielle Änderung des Diskurses erfolgt, als dieser US-Präsident auch die Verpflichtungen, die die offiziellen Atomwaffenstaaten haben, aufgreift: die Anstrengungen zur Abrüstung der bestehenden Atomwaffen. ElBaradei hat es sinngemäß einmal so formuliert: Es sei keine funktionierende Grundlage für Nichtverbreitung, dass es bei den einen als moralisch verwerflich gelte, nach Atomwaffen zu streben, während die anderen keine Zweifel an der eigenen Moral hätten, wenn ihre Sicherheitskonzepte gerade auf dem Besitz von Atomwaffen ruhen.

Die IAEO ist nur langsam in ihre Rolle als "Watchdog" hineingewachsen, wobei die Lektionen oft schmerzhaft und Erfolge und Niederlagen manchmal schwer zu unterscheiden waren: etwa als Libyen sein - unentdecktes - Atomprogramm aufgab. Das Ideal wäre, in ihr auch einen Garanten zu haben, dem wirklich alle Akteure vertrauen.

Es wird ein Ideal bleiben - hier ist jedoch der Weg das Ziel, das nur mit Unabhängigkeit bis zur Selbstaufgabe zu erreichen sein wird. Denn die politischen Probleme müssen, wie gesagt, anderswo gelöst werden. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2009)