Eine Zukunft mit mehr Geschlechtergerechtigkeit braucht positive weibliche Vorbilder in der Gegenwart, meint Doris Bures.

Foto: DER STANDARD/Heribert Corn

Das Nachdenken über das ganze System, wie Gesellschaft und Ökonomie organisiert sein sollen, ist eine zentrale Forschungsfrage für Gabriele Michalitsch.

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STANDARD: Sie haben am 11. November die Staatspreise für Chancengleichheit verliehen. Dabei wurden Unternehmen vor den Vorhang gebeten, die die Gleichbehandlung von Männern und Frauen fördern. Wie wirksam ist so eine Maßnahme?

Bures: Es ist ein Mosaikstein. Denn wir wissen ja, dass es im Bereich der Frauenförderung nicht die eine Maßnahme geben kann, um die Ungleichheit zu beseitigen. Ich glaube, Initiativen, die zeigen, dass es Unternehmen gibt, die Maßnahmen setzen, um Männer und Frauen am Arbeitsplatz gleich zu behandeln, müssen sichtbar gemacht werden. Das ist erstens wichtig, weil es eine Bestätigung für die Unternehmen ist, dass ihre Maßnahmen in die richtige Richtung gehen. Zweitens sind solche dann für viele andere Unternehmen Vorbilder, die zeigen, dass es - nicht nur wirtschaftlich - Sinn macht, sondern auch das Betriebsklima verbessert, was ja erwiesenermaßen einen positiven wirtschaftlichen Effekt hat.

STANDARD: In Ihrem Aufgabenbereich steht das Thema Frauenförderung nicht im Mittelpunkt. Die Programme wie FemTech haben Sie ja geerbt. Welchen Stellenwert hat das Thema für Sie?

Bures: Ich leite ein großes Ressort, das im Grunde als ein männlich dominiertes wahrgenommen wird. Bei mir wird das Thema Frau allerdings bei allem, was ich tue, mitgedacht. Ich habe dieses Bewusstsein als ehemalige Frauenministerin nicht an der neuen Garderobe abgegeben. Wir haben eine Vielzahl von Initiativen gestartet, um Frauen mit naturwissenschaftlichen Ausbildungen zu fördern, zu begleiten, Praktikumsplätze anzubieten. Wir leisten auch Motivationsarbeit, die teilweise schon im Kindergarten beginnt. Das ist ein großer Bogen vom Forschergeist der Kindheit bis zur FemTech-Expertin des Monats. Jeden Monat wird eine Forscherin vor den Vorhang geholt, die ihrerseits Vorbildwirkung haben soll.

STANDARD: Dort, wo in Unternehmen entschieden und gestaltet wird, sitzen dann aber doch eher Männer. Verschärft eine Krisensituation diesen Mechanismus?

Michalitsch: Grundsätzlich verschärfen Krisen Verteilungskämpfe. Das gilt auch für den Zugang zu Entscheidungspositionen. Aus der Geschichte wissen wir aber auch, es ist klar, dass dort, wo Männerberufe für Frauen geöffnet und neu zugewiesen wurden, beispielsweise der Sekretär zur Sekretärin wurde, Prestige und Einkommen gesunken sind.

Bures: Wir brauchen zweierlei. Erstens Frauen in Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die Vorbildwirkung haben. Es ändert nur nichts an der Kultur oder am Zugang zur Geschlechtergerechtigkeit. Dazu braucht es eine kritische Masse. Erst dann tritt die Veränderung ein.

STANDARD: Wenn es zu einer Drosselung von Fördermaßnahmen kommt, wie würde sich das auf die Frauenförderung auswirken?

Bures: Es stimmt natürlich, dass bei einer geringeren Fördersumme der Einsatz der Mittel genauer geprüft und die erwünschten Effekte genauer bewertet werden müssen. Bei der Forschungsförderung im angewandten wirtschaftsnahen Bereich, die ja in meinem Ressort liegt, ist es gelungen, hier mehr Förderungsvolumen zu bekommen. Wir brauchen wesentlich mehr Investitionen in Krisenzeiten. Und es gibt ein Mehr. Wir haben heuer insgesamt acht Prozent mehr Budget als im Vorjahr, für die Frauenförderung ein Plus von zwölf Prozent.

STANDARD: Ist die österreichische Kultur der Forschungsförderung erfolgreich?

Bures: Wir haben die Forschungsförderung neu evaluiert und stellen fest, dass wir mit der direkten und der indirekten Förderung ein sehr gutes System haben. Die steuerliche Förderung aus standortpolitischen Gründen, die Förderung der universitären Forschung und die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung ist im Zusammenspiel sehr erfolgreich. Für den letzteren Bereich kann man sagen, dass ein eingesetzter Förderungseuro zwei weitere private Forschungseuros auslöst. Das ist ein sehr guter Schlüssel. In der Krise liegt das Verhältnis in kleineren Unternehmen bei 45 Prozent an öffentlicher Förderung und 55 Prozent Eigenleistung. Das ist als Krisenhilfe zu verstehen und ermöglicht den Verbleib von Unternehmen in den Projekten.

STANDARD: Wird sich diese Denkart in der Krise ändern?

Bures: Die große Sorge war ja, dass Unternehmen in der Krise nicht mehr in Entwicklung investieren. Aber das findet nicht in dem befürchteten Ausmaß statt. Sie wissen, dass der Einsatz von heute bedeutet, dass in den nächsten Jahren marktreife Produkte entstehen können.

STANDARD: Erhält Forschungsförderung den Status quo und macht einen Paradigmenwechsel unmöglich?

Michalitsch: Neben der Unterstützung unternehmensbezogener Forschung ist auch die Verbesserung der universitären Ausstattung, etwa mit Geräten, in den Konjunkturpaketen verankert. Das ist natürlich begrüßenswert, wird aber nicht ausreichen. Eine Problematik, die sich hier im Kontext der Krise verlängert, ist, dass Forschung stark auf ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet ist. Also darauf, was in relativ kurzer Zeit Gewinn für einzelne Unternehmen verspricht. Grundlegende gesellschaftliche Fragestellungen aber sind genauso wichtig, zum Beispiel über soziale Innovationen nachzudenken.

Die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung wird jedoch immer mehr marginalisiert. Die Konjunkturpakete zielen auf die Förderung potenziell profitträchtiger Entwicklungen in Unternehmen, nicht aber auf die Ausweitung von Grundlagenforschung. Die Universitäten sind chronisch unterfinanziert. So gibt es etwa seit geraumer Zeit Bestrebungen, an der Universität Wien eine Professur für Gender Studies einzurichten, jetzt ist es wieder nur eine Gastprofessur, deren Besetzung auf das nächste Semester verschoben wurde - mit dem Nebeneffekt, dass man Ressourcen spart. Tatsache ist auch, dass wir in der feministischen Ökonomie, die sich in den letzten Jahren international sehr dynamisch entwickelt hat, fast überhaupt keine Ressourcen haben. Ich halte es für extrem wichtig, dass wir gerade anlässlich der Wirtschaftskrise mit grundlegenden Fragen an Ökonomie herangehen.

STANDARD: Wie gestaltet man eine Forschungslandschaft unter solchen Bedingungen?

Bures: Es muss eine klarere gemeinsame Strategie aller Beteiligten geben. Deshalb haben wir ja auch vereinbart, dass es bis zum Sommer 2010 eine Forschungsstrategie der Bundesregierung mit ganz konkreten Zielsetzungen und finanziellen Spezifikationen geben muss. Ziel bis 2020 ist eine F&E-Quote von vier Prozent.

STANDARD: Im Rahmen der Forschungsstrategie sollen kurzfristiger ökonomischer Erfolg und Nachhaltigkeit unter einen Hut gebracht werden?

Bures: Ja, indem Vorgaben der Produktentwicklung nachhaltig sind. Wir fördern Forschung an Mobilität dort, wo sie mit geringerem Schadstoffausstoß einhergeht. Wir fördern Informations- und Kommunikationstechnologie auch mit dem Ziel, Mobilität zu verhindern. Wir fördern nicht nur, damit ein Unternehmen damit schnell Gewinn macht, sondern Produkte, die Antworten auf die Herausforderungen der Zeit sind. Ich bin überzeugt, dass Green Mobility und energieeffiziente Technologien die neuen Leitindustrien sein werden. Und in diese Richtung muss man die Forschungsmittel konzentrieren.

Michalitsch: Diese Fokussierung auf ökologische Fragen würde in hohem Maße Reorganisation von gesellschaftlichen Abläufen implizieren. In diesem Bereich geht es nicht nur darum, ein biologisch abbaubares Waschmittel zu erfinden, sondern um eine umfassende Reorganisation von Gesellschaft. Das ist im Rahmen solch unternehmensnaher Forschungsförderung überhaupt nicht möglich.

Bures: Das ist ein klassischer Auftrag der universitären Forschung.

Michalitsch: Welche Änderungen in gesellschaftlichen Verfahren und Abläufen sind notwendig, um ökologisch besser zu werden? Das ist für das einzelne Unternehmen uninteressant. Nicht nur, wie anders produziert werden kann, was überhaupt produziert werden soll, wie Gesellschaft organisiert werden kann, damit bestimmte Probleme erst gar nicht entstehen. Darum muss es gehen.

Bures: Der dritte Forschungsschwerpunkt ist Produktion.

Michalitsch: Es geht aber um die Organisation von Ökonomie. Um internationale Güterbewegungen etwa, darum, wie viel Verkehr durch die globale Arbeitsteilung erzeugt wird, darum, wie billige Arbeitskräfte eingesetzt werden etc. Ökologische Orientierung impliziert, dass wir fundamental anders über Ökonomie nachdenken.

STANDARD: Wo kann wirtschaftsnahe Forschung Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben?

Bures: Zum Beispiel in der Kommunikationstechnologie. Wir haben eine digitale Kluft. Die gibt es zwischen Jungen und Alten, zwischen dem ländlichen und dem städtischen Raum und zwischen Arm und Reich. Da gibt es keinen gleichberechtigten Zugang zur Information. Initiativen wie der Glasfaserausbau helfen, diese Kluft, die im Hinblick auf diese vierte Kulturtechnik herrscht, irgendwann zu schließen.

STANDARD: Alle anderen Themen sind ein Fall für die Forschungsstrategie?

Bures: Auf jeden Fall.

Michalitsch: Die Problematik ist, dass die unternehmensnahe Forschung sich immer mehr auf Kosten der Grundlagenforschung ausgebreitet hat. Wo können fundamentale gesellschaftliche Fragen überhaupt noch gestellt werden? An den Universitäten sind die Mittel, dort wo Drittmittel keine Rolle spielen, gering.

Bures: Sowohl die angewandte Forschung als auch die Grundlagenforschung sind Zukunftsfelder. Das Geld wurde ja nicht hin- und herverschoben. Zwei Drittel der Forscherinnen und Forscher arbeiten in Unternehmen und nicht an der Universität, wo sie natürlich angefangen haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2009)