Wien - Laut einer deutschlandweiten Umfrage aus 2004 ist jede vierte Frau im Laufe ihres Lebens zumindest einmal der Gewalt eines Lebensgefährten ausgesetzt. In Österreich existieren keine umfassenden Untersuchungen: Laut Schätzungen ist hierzulande "eine von fünf Frauen körperlichen und/oder sexuellen Tätlichkeiten durch einen nahen männlichen Verwandten, Freund oder Bekannten" ausgesetzt, erklärten OpfervertreterInnen bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien.

Fast 40 Prozent Betroffene von Gewalt

Prävalenzstudien auf europäischer Ebene liefern Daten, die Rückschlüsse auf Österreich zulassen würden: So zeigt eine Erhebung unter 10.264 Frauen in Deutschland aus 2004, dass 37 Prozent aller Frauen ab dem 16. Lebensjahr mindestens einmal im Leben von körperlicher Gewalt betroffen waren. Davon haben 13 Prozent sexualisierte Gewalt wie Vergewaltigungen erlitten. 58 Prozent der Betroffenen mussten sexuelle Übergriffe und 42 Prozent psychische Gewalt erfahren, so Andrea Berzlanovich vom Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien.

72 Prozent der Opfer weiblich

2008 wurden in Österreich insgesamt 31.935 strafbare Handlungen gegen Leib und Leben und gegen die Sittlichkeit registriert, "also Straftaten, die sehr häufig im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt stehen". Davon ereigneten sich 6.973 Delikte in familiären Beziehungen, wobei 72 Prozent der Opfer weiblich waren (5.016 Frauen und 1.957 Männer). 366 Frauen und 57 Männer waren demnach in familiären Umfeld sexualisierter Gewalt ausgesetzt, als tatverdächtig galten 16 Frauen und 407 Männer. Laut der Statistik zur Täter-Opfer-Beziehung in Österreich für das Jahr 2008 wurden mindestens 27 Tötungen an Frauen innerhalb der Familie verübt.

Zuflucht im Frauenhaus

Im Vorjahr wurden 6.566 polizeiliche Wegweisen zum Schutz vor Gewalt in der Familie durchgeführt und 3.220 Frauen suchten mit ihren Kindern in einem der 26 autonomen Frauenhäusern Schutz. Laut einer Statistik der autonomen österreichischen Frauenhäusern waren in 81 Prozent der Fälle Ehemänner und Lebensgefährten sowie in sechs Prozent der Fälle Ex-Partner die Gewalttäter.

Gewalttätige Übergriffe gegen Frauen ereignen sich meist innerhalb der eigenen vier Wände, daher gebe es oft keine ZeugInnen und meist verschweigen Betroffene aus Scham die wahre Herkunft ihrer Verletzungen, hieß es. Neben sichtbaren Verletzungen, physischen und psychischen Leiden geben auch Mimik und Gestik des Opfers erste Hinweise auf erlittene Gewalt.

Genaue der Untersuchung der Opfer notwendig

Nach sexuellem Missbrauch können laut Berzlanovich sehr unterschiedliche Verletzungsbilder auftreten, mitunter könnten nur leichte oder auch gar keine Verletzungen feststellbar sein, weshalb immer eine genaue Untersuchung durchgeführt werden müsste.

Zu den möglichen körperlichen Anzeichen für eine Gewalterfahrung zählen Hämatome z. B. an Ober- und Unterarmen durch Abwehrbewegungen, Kratzspuren, Hautrötungen, Unterblutungen - ähnlich wie Würgemale oder Strangulationsmarken. Häufig wird den Opfern auch der Mund zugehalten, was z. B. zu Mundschleimhauterosionen führen kann.

Bis zur Sicherung des Beweismaterials sollten u. a. folgende Maßnahmen beachtet werden: Nicht die Kleidung wechseln, nicht duschen, nicht urinieren bzw. in ein sauberes Gefäß mit Deckel oder auch nicht Zähneputzen. (APA)