"Schubhaft nur im Ausnahmefall" ist eine der Hauptforderungen der Plattform. Besonders schutzbedürftige Personen sollten auf keinen Fall inhaftiert werden

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Salzburg - Heftige Kritik an den Bedingungen für Schubhäftlinge übte am Donnerstag die Salzburger Plattform für Menschenrechte. Seitdem auch in Salzburg das Innenministerium mit Anfang Juli die Flüchtlingsbetreuung von der Diakonie an den "Verein Menschenrechte Österreich" übertragen hat, hätten sich die Haftbedingungen massiv verschlechtert, hieß es. Der Verein, der keine Rechtsberatung anbietet und als ministeriumsnah gilt, ist schon länger Zielscheibe der Kritik durch Menschenrechtsorganisationen.

Wochenlang gleiche Unterwäsche

Schubhäftlinge, die oft nur das besäßen, was sie am Leib tragen, hätten "wochenlang keine Möglichkeit, ihre Unterwäsche zu wechseln", berichtete der Schubhaft-Seelsorger und ehemalige evangelische Militärsuperintendent Julius Hanak. Auch an Winterkleidung, Schuhen oder Toiletteartikeln fehle es oft. Telefonwertkarten, wie in der Betreuung durch die Diakonie üblich, würden ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt.

Unverständliche Bescheide

Die Schubhäftlinge wüssten zudem vielfach nicht über ihr Rechte Bescheid, weil sie mit den ausgehändigten Bescheiden ohne die Hilfe durch Betreuer nichts anfangen könnten. Sie seien in der Regel zumindest in den ersten zwei bis drei Wochen bis zu 21 Stunden täglich in der Zelle und hätten niemanden, mit dem sie "sinnstiftende Gespräche führen" könnten. Tagesstrukturierende Beschäftigungsprojekte gebe es seit Juli ebenfalls nicht mehr.

Keine Informationen für Seelsorger

Hanak ist seit Jahren in der Seelsorge für Schubhäftlinge tätig. Seit Juli haben sich seine Arbeitsbedingungen aber massiv verschlechtert. Er besuche zwar immer noch jeden Donnerstagvormittag das Polizeianhaltezentrum, erhalte aber keine Informationen mehr über Namen, Herkunft oder Konfession der Insassen. Das müsse wieder geändert werden, forderte er. Christliche Besuchsdienste für Gefangene gebe es seit der Zeit von Jesus Christus, vom Staat seien sie "durch viele Jahre hindurch respektiert" worden. Im Augenblick sind in Salzburg etwa 40 Personen in Schubhaft.

"Bedenklich und bedauerlich"

Josef Mautner, Sprecher der Plattform für Menschenrechte, erinnerte daran, dass seine Organisation 1996 die Einführung einer Sozialbetreuung für Schubhäftlinge in Salzburg erreichte. Er finde es "bedenklich und bedauerlich, dass wir nach 13 Jahren wieder um etwas kämpfen müssen, was von allen Beteiligten, auch den Beamten im Polizeianhaltezentrum, als positiv und als Fortschritt empfunden wurde".

Unabhängige Rechtberatung gefordert

Für die inhaftierten Menschen müsse es umgehend wieder professionelle psychosoziale Beratung und Betreuung durch unabhängige Organisationen geben, forderte Mautner. Die derzeitige Situation sei "eine Katastrophe". Außerdem sollte von Beginn an ein offener Vollzug ermöglicht und innerhalb von 24 Stunden eine unabhängige Rechtsberatung mit qualifizierten Dolmetschern angeboten werden.

Schubhaft nur als Ausnahme

Generell solle Schubhaft nur in Ausnahmefällen verhängt werden. Viele Insassen würden nach einigen Wochen ohnehin entlassen - der eigentliche Sinn der Maßnahme, nämlich die Durchsetzung einer Ausweisung, sei damit nicht gegeben. Minderjährige, Traumatisierte, Schwangere, Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung sollten auf gar keinen Fall in Schubhaft genommen werden, fordert die Plattform. Die Aktivisten erinnerten daran, dass es bei der Schubhaft um unbescholtene Menschen geht, die eingesperrt werden, um ein Verwaltungsverfahren abzuwarten - unter Bedingungen, die weit schlechter seien als in der Strafhaft.

Vorwürfe zurückgewiesen

Der Leiters des Polizeianhaltezentrums, Engelbert Reyer, wies auf Anfrage der APA die Vorwürfe zurück. Seit statt des evangelischen Flüchtlingsdiensts der "Verein Menschenrechte" die Schubhaftbetreuung übernommen habe, habe sich "an der Betreuung nichts verschlechtert". Eine Wäscherei wasche die Kleidung der Insassen, zudem stünden Kleider aus Sammlungen bereit. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 10.12.2009)