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Die dänische Polizei stieß in der Nacht auf Dienstag mit den Protestanten des selbsternannten "Freistaates Christiania" zusammen.

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Blick in einer der Hallen des Kopenhagener Bella-Centers. UN-Generalsekretär Ban forderte die Länder auf, "nicht länger mit dem Finger aufeinander zu zeigen".

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Kopenhagen - UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die Vertreter der reichen und armen Länder auf dem Klimagipfel zu einem Ende der Schuldzuweisungen aufgerufen. "Jetzt ist die Zeit, nicht länger mit dem Finger aufeinander zu zeigen", sagte Ban Ki Moon am Dienstag unmittelbar nach seiner Ankunft in Kopenhagen. Stattdessen sollten die Staaten ihre Klimaziele heraufschrauben, um die stockenden Verhandlungen zu retten. Beide Seiten müssten ambitioniertere Angebote auf den Tisch legen. Er sei aber weiter vorsichtig optimistisch, dass es ein erfolgreiches Ergebnis geben werde, sagte Ban Ki Moon. 

In Kopenhagen verhandeln die Vertreter von 192 Organisationen noch bis Freitag über ein globales Abkommen gegen die Klimaerwärmung. Die Delegierten müssten ihren Streit in den nächsten Tagen beilegen, forderte Ban.

Nach seinen Worten wäre es ein schwerer Fehler, die wichtigen Verhandlungen allein den rund 100 Staats- und Regierungschefs zu überlassen: Die Unterhändler müssten ihre Meinungsverschiedenheiten vor deren Eintreffen ausräumen. Wenn dies passiere, gebe es "entweder ein schwaches Abkommen oder gar keins".

Sarkozy: "Afrika und die EU sind auf einer Linie"

Die Europäische Union und die afrikanischen Staaten sind sich nach den Worten von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei den Zielen zur Reduzierung von Treibhausgasen einig. "Afrika und die EU sind auf einer Linie", sagte Sarkozy am Dienstag nach einem Treffen mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi, der die afrikanischen Länder bei dem Klimagipfel in Kopenhagen vertritt. Der französische Präsident erklärte, die Allianz zwischen Afrika und Europa sei äußerst wichtig. Meles sagte, man sei "nahe einer totalen Übereinkunft" mit der Europäischen Union. Einzelheiten nannten die beiden Politiker zunächst nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich angesichts der bislang geringen Fortschritte auf dem Klimagipfel von Kopenhagen besorgt gezeigt. Für die notwendige verbindliche Einigung über Klimaziele werde die Zeit allmählich knapp. "Ich will nicht verhehlen, dass ich schon etwas nervös bin, ob wir das alles schaffen", sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudyhono in Berlin.

Bis zur Abschlussrunde am Freitag laufe die Zeit allmählich davon. "Es ist jetzt jeder auch aufgerufen, seinen konstruktiven Beitrag zu leisten, damit Kopenhagen ein Erfolg werden kann", sagte Merkel. "Jetzt ist große Ernsthaftigkeit gefragt."

Unterdessen haben die Umweltminister haben am Dienstag ihre informellen Gespräche fortgesetzt. Einige hätten die ganze Nacht durchverhandelt, hieß es in Kopenhagen. Auf der Agenda einer weiteren informellen Arbeitsgruppe stand die Finanzierung von Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern, ein besonders umstrittenes Thema.

Nach massiven Protesten der afrikanischen Staaten am Vortag kündigten die Organisatoren der Klimakonferenz am Dienstag an, sie wollten auf die Entwicklungsländer zugehen. Die dänische Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard sagte im britischen Rundfunksender BBC, die Forderung dieser Gruppe nach Beachtung des Kyoto-Protokolls solle "beachtet" werden. Die Entwicklungsländer wollen am Kyoto-Protokoll festhalten, weil darin die Industrieländer verbindlich zur Verringerung ihrer Treibhausgase aufgefordert werden.

Die afrikanischen Staaten hatten die Konferenz am Vortag vorübergehend verlassen, um gegen die von Industriestaaten angestrebte Aushandlung eines neuen Vertragssystems für den Klimaschutz zu protestieren, das parallel zum Kyoto-Vertrag läuft. Hedegaard kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Gruppe der afrikanischen Länder sich zunächst mit dem von ihr vorgebrachten Verfahrensvorschlag einverstanden erklärt und dann plötzlich die Gespräche unterbrochen habe.

Ein weiterer Streitpunkt sind die Ausgleichszahlungen der Industriestaaten für die Entwicklungsländer, damit diese die Folgen des Klimawandels bewältigen können. Die Entwicklungsstaaten kritisieren, dass ihnen bisher erst "Brotkrumen" angeboten worden seien. Zumindest bei Japan zeigte diese Kritik Wirkung. Tokio werde sein Angebot von 9,2 auf 10 Milliarden Dollar (von 6,28 auf 6,83 Mrd. Euro) aufstocken, berichtete die Tageszeitung "Shimbun" am Dienstag. Das Geld solle zwischen 2010 und 2012 ausgezahlt werden. Die EU offeriert bisher 3,5 Milliarden Dollar pro Jahr, während die USA noch überhaupt keine Summe genannt haben.

Die Weltklimakonferenz in Kopenhagen fängt nach Ansicht der dänischen Umweltministerin Lykke Friis jetzt erst richtig an. Sie sagte am Dienstag im Deutschlandradio Kultur: "Jetzt beginnt die zweite Halbzeit."

Doch den Gipfelteilnehmern läuft die Zeit davon. "Zeit ist jetzt unser schlimmster Feind", hieß es am Montagabend aus Kreisen der Gipfelorganisatoren. Der britische Premierminister Gordon Brown, der heute in Kopenhagen erwartet wird, warnte angesichts des Konflikts vor einer Spaltung der Staatengemeinschaft. "Die Uhr tickt, wir haben nicht viel Zeit", sagte auch US-Delegationsleiter Todd Stern.

Chavez und Morales kommen

Stern erwartete, dass die ab Mitte der Woche erwartete Ankunft von über 100 Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen einen positiven Druck auf die Umweltminister und Delegationen ausüben werde. So kündigten am Montag die linksgerichteten Präsidenten Venezuelas und Boliviens, Hugo Chavez und Evo Morales, ihre Teilnahme am Klimagipfel an.

Am späten Nachmittag sollten die formellen Beratungen der Umweltminister feierlich eröffnet werden, zu denen auch Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) in der Früh anreiste. Der britische Premierminister Gordon Brown wurde am Abend erwartet, zwei Tage vor der Anreise der übrigen EU-Staats- und Regierungschefs. Am Rande des Klimagipfels wurden unter anderem Großbritanniens Thronfolger Prinz Charles, Friedensnobelpreisträger Al Gore und der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger erwartet.

Zuvor kam es in der Nacht auf Dienstag in Kopenhagen erneut zu Ausschreitungen. Die dänische Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein und nahm auf dem Gelände des sogenannten "Freistaates Christiania" knapp 200 Menschen fest. Mehrere Gruppen hatten zuvor Barrikaden errichtet, Feuer entzündet und Brandsätze gegen die Polizei geworfen. Christiania ist ein seit den 70er Jahren besetzt gehaltenes Kasernengelände in unmittelbarer Nähe des Kopenhagener Stadtzentrums.

Unter den vorübergehend Festgenommenen haben sich zumindest auch drei Österreicher befunden. Es seien Aktivisten von Attac gewesen, sagte Franziskus Forster vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac Österreich im APA-Gespräch. "Sie sind ohne irgendetwas getan zu haben, festgenommen worden", kritisierte Forster, der wusste, dass zumindest einer der Festgenommenen wieder freigelassen worden ist. Laut Außenministerium wurden am Dienstag keine Österreicher mehr in Kopenhagen festgehalten. Demnach dürften auch die beiden anderen Aktivisten mittlerweile wieder frei sein.

Militante Gruppen wollen stürmen

Am Mittwoch steht den wegen ihres harten Einsatzes vielfach kritisierten dänischen Sicherheitskräften eine neue Kraftprobe bevor: Militante Gruppen haben angekündigt, entgegen aller Verbote den Tagungsort des Gipfels stürmen zu wollen. Bis Montagabend war es nicht zu Krawallen im Umfeld des Gipfels gekommen. Dennoch hatte die Polizei seit Samstag bei mehreren Demonstrationen fast 1500 Menschen festgenommen.

Um gegen den schleppenden Fortgang der Kopenhagener Gespräche zu protestieren, erklommen fünf Greenpeace-Aktivisten am Dienstag die berühmte Oper von Sydney. Sie entrollten dort ein Spruchband, auf dem "Stop the Politics, Climate Treaty now" ("Schluss mit der Politik, Klimaabkommen jetzt") zu lesen war. Westlich von Australien sandte der vorige Woche gesichtete gigantische Eisberg ebenfalls ein unmissverständliches Signal nach Kopenhagen: Vor einigen Tagen noch 140 Quadratkilometer groß, zerbrach der Eisberg "B17B" nach Angaben des Glaziologen Neal Young in hunderte Teile, die nun die Schifffahrt auf einer Länge von 1000 Kilometern gefährden. (APA/AP/Reuters)