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Edward und Bella in "Twilight - Bis(s) zum Morgengrauen".

Foto: AP /Summit Entertainment, Kimberley French

Gibt es einen so großen Erfolg, wie den der vier Twilight-Bücher und die dazugehörige Verfilmung, müssen sich gezwungenermaßen auch jene damit beschäftigen, die ansonsten um "Massenkultur" lieber einen großen Bogen machen. Wie vielen popkulturellen Großereignissen unterliegt auch die "Twilight"-Rezeption - egal ob über Filme oder Bücher - erst mal der Lust, den "Konsum der Massen" als Schund zu klassifizieren, von dem man sich natürlich tunlichst durch Kritik abgrenzen will. Erst in zweiter Linie wendet man sich der Frage nach dem riesigen Interesse an dem jeweiligen Material zu. Dass der Grund in einer perfekt inszenierten Zielgruppenbearbeitung läge, wie ein Poster im derStandard.at Forum zum Erfolg der "Twilight"-Filme meint, greift zu kurz. Schließlich wird "Zielgruppenbearbeitung" bei jeder größeren Film-Produktion professionell und aufwendig betrieben. 

In den Auseinandersetzungen mit dem Phänomen "Twilight" sticht besonders ins Auge, dass man sich in der Kritik auf das Attribut "antifeministisch" einigte. Ebenso wurde "Prüderie" ins Feld geführt, die den religiösen Ambitionen der Autorin Stephanie Meyer zu verdanken sei, die Mormonin ist. Die Themen "Antifeminismus" und "Prüderie" ziehen sich durch beinah alle Rezeptionen rund um die Geschichte von Bella Swan, einer 17-jährigen Schülerin, die sich in den gleichaltrigen Vampir Edward Cullen verliebt. Dieser gehört einer Vampir-Sippe an, die es sich verbietet, Menschen zu töten. Natürlich sind aber auch die Cullens gehörig scharf auf deren Blut, weswegen jegliche Intimität zwischen Bella und Edward ein ewiges an sich halten bleibt, damit Edward in seiner Erregung nicht doch zubeißt. Dieses und weitere Probleme dieser Liebesbeziehung zwischen Mensch und Monster behandelt die Geschichte, die "hauptsächlich Mädchen und junge Frauen zwischen 13 und 30", so der Spiegel-Online, begeistert. Durch die Antifeminismus-Buh-Rufe aufmerksam gemacht hat sich dieStandard.at die Stimmen zu "Twilight" etwas genauer angeschaut.

Antifeministisch

Dass gerade Antifeminismus in dieser Regelmäßigkeit genannt wurde überrascht. Einerseits, weil das sowohl auf einen Großteil der Hollywoodproduktionen oder "Trivialliteratur" passt, als auch für die als "wertvoll" geltenden Kulturleistungen. Mehr oder weniger traditionelle Rollenverständnisse von Frauen und Männern, Liebesbeziehungen, Lebensentwürfe und Begehrensstrukturen sind noch immer selbstverständlich und werden meist auch so hingenommen. Dennoch regt gerade in "Twilight" Bella als die ständig zu beschützende und Edward als der Gentleman alter Schule auf. Einerseits. Anderseits geistern aber auch "hysterische Mädchen" samt Mütter, "die sich Robert Pattinson [der in den Filmen Edward Cullen darstellt, Anm.] als jungen Liebhaber wünschen", (David Denk in seiner taz-Kolumne) in sexistischem Gestus durch die Texte. Die Autoren diverser Artikel sehen keinen Widerspruch darin, Stereotype zu kritisieren, die sie selbst fleißig anwenden: "Glücklicherweise können Tweets noch nicht kreischen. Auf Twitter kamen die Nachrichten diesmal nämlich ziemlich hysterisch daher", so Dominik Kamalzadeh im STANDARD, der auch die Feministin Laura Miller zitiert, deren Reaktion aber nicht als "kritischer Einwand" oder "Analyse" gelten darf, sondern als "aufgebrachte" feministische Stimme.

Angesichts der Häme über die Fans kann frau sich zum Vergleich ins Gedächtnis rufen, was passiert, wenn weibliche "Beauties" die Leinwand zieren. So war etwa nicht zu beobachten, dass die Bewunderer von Megan Fox, die sich zuletzt in "Transformers - Die Rache" lasziv über der Motorhaube räkelte, als hysterisch hingestellt wurden, um sie zu diffamieren. Denn: Es ist selbstverständlich, dass da auch was "fürs (heterosexuelle) Auge" dabei ist. Auch in den "Twilight"-Filmen wurde versucht, dieser Vorlage zu folgen, mit dem Unterschied, dass die Objekte des Begehrens Männer sind und die begehrenden Subjekte junge Frauen.

Prüderie

"Enthaltsamkeit" als Botschaft von Twilight wurde ebenfalls vielfach angeführt. Sex-Darstellungen sparte sich die Mormonin Meyer, deren Vorlage man in dieser Hinsicht zumindest in den ersten beiden Teilen der Filmreihe treu blieb. "Wenn im herkömmlichen kulturindustriellen Vampirbetrieb das Beißen immer auch ein (phallisches) Vögeln ist, so wird der Biss, der nicht eintritt, hier mit aller puritanischen Entschiedenheit zum tugendhaft vegetarischen Sexverzicht hochstilisiert", so Ekkehard Knörer in der Online-taz. Und auch in der schon zitierten Kolumne von David Denk heißt es: "New Moon bedient das Harmoniebedürfnis der Zuschauer und kommt ganz ohne Jungfrauenblut aus, zeigt Vampire mit Beißhemmung. An seiner geliebten Bella (Kristen Stewart) will Edward (Robert Pattinson) erst nach der Hochzeit knuspern - prüde wie Kommunionsunterricht ist der Film, ganz wie die ebenfalls erfolgreichen Romanvorlagen der Mormonin." Und David Kleingers resümierte über den sex-freien Film im Online-Spiegel in seinem Text "Schmusegrusel für Sittenwächter": "Ein lust- und zahnloseren Film über Vampire, eigentlich die potentesten Sexsymbole des Horrorgenres, sah man selten". 

Klar, Sex spielt es bei Edward und Bella nicht, aber dafür gibt es jede Menge Begehren. Überraschend ist, dass die doch sehr offensichtlich gesponnenen Begehrensstrukturen weitgehend ausgeblendet werden. Die Inszenierung der jungen Männer in den Filmen "Twilight - Bis(s) zum Morgengrauen" und "New Moon" - Bis(s) zur Mittagsstunde" ist gar nicht "mormonisch": Der junge Edward biegt in Zeitlupe - um den Anblick auch richtig in Szene zu setzen - entweder in schmal geschnittenen Anzügen, das Hemd bis zur Mitte der Brust aufgeknöpft, mit perfekt sitzendem Haar schneidig um die Ecke. Oder er zieht sich sein Hemd ganz aus - natürlich wieder in Zeitlupe - und so steht er schließlich da, die Hose hängt lässig auf den schmalen Hüften. Und auch für jene, denen der Oberschichten-Chic der Vampire nicht gefällt, bietet Regisseur Chris Weitz in "New Moon" den extrem durchtrainierten "Workingclass-Hero", dem die Erzählung kurzerhand die Oberbekleidung entwendet. Kein Schmäh: Die Riege der Werwolf-Monster, die in "New Moon" auftauchen, laufen immer oben ohne und nur in Bermuda-Shorts rum, auch wenn sie gerade als Menschen unterwegs sind. Als Bella ihren (Werwolf-)Freund Jacob so das erste mal sieht, sitzt sie bewegungslos im Auto und starrt ihm hinterher. Alles andere als zugeknöpft. Im Übrigen bittet Bella nicht nur einmal darum "gebissen zu werden", doch Edward will nicht so recht. Auch Kelsey Wallace, Autorin des US-amerikanischen Magazins "Bitch - Response to Popculture", kann der "die neue Prüderie"-Lesart wenig abgewinnen: "Falls uns die Popularität von New Moon irgendetwas sagt, dann das, dass junge Frauen Sex wollen. Was bedeutet sonst dieses ganze oben ohne, wenn nicht das?"

Schuld an dem Hype sind die Differenz-LeugnerInnen

Eine andere Erklärung für die Twilight-Begeisterung liefert Leonard Sax von der "Washington Post" und kratzte für diese eine besonders scharfe Kurve. Er attestierte der "Twilight"-Serie eine Kombination aus moderner Sensibilität und traditionellen Geschlechterrollen. Ein Rückschritt, so Sax, der weiter meint: "Über dreißig Jahre hat die Political Correctness gefordert, dass LehrerInnen und Eltern so tun, als ob Gender keine Rolle spielt." Daher zieht Sax über die Faszination junger Frauen an dieser verstaubten Romanze folgenden Schluss: Es muss so etwas wie ein Aufbegehren gegen jene Botschaft sein, mit der den jungen Leuten die Irrelevanz von Gender eingeflößt wurde. So, und jetzt haben wir den Salat und alle Mädchen wollen wie Bella sein und sich in altmodische Rollenmuster vergraben. Kurzum, wir können uns bei "den Feministinnen" für derartige Regressionen bedanken. 

Bemerkenswert ist Saxs Annahme, dass es seit dreißig Jahren einen Siegeszug der genderneutralen Erziehung gibt, sowie eine Flut von Kinderbüchern mit emanzipatorischem Inhalt. Schön für ihn, wenn Sax in einem solchem Umfeld aufwuchs und lebt, um ein umfassendes Phänomen handelt es sich dabei aber sicher nicht. Interessant ist auch, welche antifeministischen Stellen Sax hervorhebt, während er aus feministischer Perspektive weitaus problematischere ignoriert. Etwa betont er, dass die Frau eines Werwolfes bäckt oder dass Bella ständig gerettet werden muss. Das sind natürlich alles andere als progressive Rollenbilder, eine feministische Intention des Autors wird aber unglaubwürdig, wenn sich in dem Artikel praktisch nirgends eine Erwähnung des Rechtfertigungsdiskurses von männlicher Gewalt findet (wie bei allen anderen erwähnten Kritiken auch nicht). Und so übersieht Sax, dass die Frau des "Chef"-Werwolfes nicht nur bäckt, sondern dass auch ihr Gesicht zur Hälfte vernarbt ist, weil sich der Gatte, "nicht beherrschen" konnte. Denn schließlich ging der Werwolf in ihm durch, was eine Kontrolle seiner Handlungen unmöglich macht. Der Plot "das Tier im Manne" ist um einiges problematischer, wurde aber dennoch wenig thematisiert. Dass diese "Gewalt"-Thematik den Werwolf-Monstern, die sich dem Vampir-Adel als Unterschicht gegenüberstellen, zugeordnet wird, verschafft der Sache nur noch mehr Klischeehaftigkeit.

Dürftige Erklärungen

Die Lust darauf, wieder zu alten Geschlechterrollen zurückzukehren oder eine neue Hinwendung zu "Love Waits"-Bewegungen sind eine dürftige Erklärung für den Twilight-Erfolg. Für Wallace reichen diese Begründungen nicht. "Vielleicht mögen manche der Fans Vampir-Geschichten oder Jungs ohne Shirts. Vielleicht reden die FreundInnen über den Film und die Mädchen wollen auch auf diesen Zug aufspringen, vielleicht fühlen sie sich zu jung, um Sex zu haben und der Film hilft ihnen, sich dabei besser zu fühlen, dann ist das doch in Ordnung." Nicht in Ordnung ist für die Bitch-Autorin hingegen, Millionen von Mädchen und Frauen, die den Film sahen und die Bücher lasen, in eine "Frauen hassen Sex"-Kiste zu schmeißen, nur weil es eine gute Story abgibt. 

Die "Twilight"-Bücher und Filme sind problematisch, das muss in Übereinstimmung mit Wallace zweifelsohne festgestellt werden. Männer, die sich Gewalt betreffend nicht "beherrschen" können und Frauen, die sie dennoch lieben oder Bella, die kein anderes Ziel hat, als an Edwards Seite glücklich zu werden, sind nur zwei Gründe. Dem Resümee von Wallace, man soll die Popularität eines Teenie-Filmes nicht dafür nützen, weibliche Sexualität öffentlich durch die Klischeemühle zu drehen und zu diffamieren, wäre hinzuzufügen: Sie sollte auch nicht dafür genützt werden, junge weibliche Fans öffentlich herabzuwürdigen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 20.12.2009)