"Together with you" - mit einem eigenen Song wurde Elisabeth Köstinger im Wahlkampf zur EU-Wahl 2009 unterstützt.

derstandard.at/Eder

Das riesige EU-Parlament kann für Neulinge zum Labyrinth werden. Elisabeth Köstinger erinnert sich: "Die erste Woche in Strassburg werde ich nie vergessen."

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Elisabeth Köstinger - das scheint die Antwort der ÖVP auf das Bauernsterben hierzulande zu sein. Anstatt die Klischees in den Köpfen - von alten, gezeichneten Landwirten - zu erfüllen, setzt man auf eine junge, hübsche Kärntnerin, die ebenso für den Jungbäuerinnen-Kalender posieren könnte. Tatsächlich vertritt sie aber in Brüssel und Strassburg auf dem EU-Parkett die Anliegen der Land- und Agrarwirtschaft.

Mehr Vorzugsstimmen als Hans-Peter Martin

Mit dreißig Jahren ist Elisabeth Köstinger - die von vielen Elli gerufen wird -  derzeit neben Martin Ehrenhauser (Liste Martin) die jüngste österreichische EU-Abgeordnete im Parlament. Trotzdem kann Köstinger schon auf eine Reihe von Funktionen zurückblicken - etwa bei der Landjugend und dem Bauernbund -  wenn auch keine explizit politischen. Mit Hilfe von über 44.000 Vorzugsstimmen (doppelt so viele wie für Hans-Peter Martin) konnte sie einen Listenplatz ergattern und pendelt seitdem zwischen Brüssel, Strassburg und Österreich.

Zeit zur Realisierung des Erreichten nach dem intensiven Wahlkampf im Frühjahr 2009 blieb nur wenig: "Ich war sofort mitten im Geschehen", sagt Köstinger. Im Sommer stand sofort ein wichtiges Thema Köstingers, die unter anderem im Ausschuss für "Landwirtschaft und ländliche Entwicklung" sitzt, auf dem Programm der EU-Agenden: Die Milchkrise und die notwendige Förderungen für Milchbauern.

Als gebürtige Kärntnerin in der EU

Der Unterschied zur heimischen Politik wurde Köstinger schnell bewusst: "Hier draußen geht es um die Sache." In Österreich sei die politische Kultur sehr oft auf reine Selbstdarstellung aufgebaut. "Ich bin Kärntnerin und habe das die letzten Jahrzehnte stark mitverfolgen können", meint Köstinger. In der EU sei es nötig Kompromisse einzugehen und gemeinsame Positionen zum Wohle aller herauszuarbeiten.

Die Abgrenzung zu anderen Fraktionen sei nicht so wichtig: "Es gibt natürlich ideologische Grenzen, aber wenn es um österreichische Interessen geht, stehen diese im Vordergrund." Auch innerhalb ihrer Fraktion will sich Köstinger nicht den Mund verbieten lassen: "Es kann sein, dass manche meiner Forderungen nicht ins Schema passen, aber das muss die Partei aushalten." Dass Köstinger auch einmal auf den Tisch haut, scheint trotzdem unvorstellbar. Die Unsicherheit und Frage darüber, wie Sie sich am politischen Parkett möglichst vorteilhaft verhalten soll, merkt man ihr an.

Über die Landjugend zur Jungbauernschaft

Dass sie bisher eher unbedarft an die politische Sache herangeht, hält Köstinger für einen Vorteil: "Ich als junge Frau in der Politik hebe mich sicher von den Altherren ab und tue mir mitunter leichter." Auf EU-Ebene könne man außerdem mehr für die Bauernschaft erreichen, als auf österreichischer Ebene, sagt die "Interessenspolitikerin" Köstinger: "Das ist die entscheidende Instanz. Mindestens zwei Drittel der auf europäischer Ebene beschlossenen Gesetze betreffen die Bäuerinnen und Bauern auf die eine oder andere Weise direkt."

Aufgewachsen ist Köstinger auf dem Bauernhof ihrer Eltern in St. Paul im Lavantal. Bis sie den Weg zum EU-Parlament einschlug, war sie in den politischen Vorfeldorganisationen der ÖVP tätig. Als Bundesobfrau der österreichischen Jungbauernschaft und Bundesleiterin der Landjugend Österreich hatte sie die Möglichkeit sich etwa bei der Landwirtschaftskammer oder beim Agrarministerrat der EU einzubringen: "Das ist schon ein geniales Erlebnis, wenn man mit Mitte 20 vor den europäischen Argrarministern steht und ihnen sagt, was man will", erinnert sich Köstinger.

Bauern als Unternehmer

Ursprünglich wollte sie ihr Publizistik-Studium an der Uni Klagenfurt nebenbei weiterverfolgen, doch das ist nun dem Zeitdruck zum Opfer gefallen. "Es herrscht ein falsches Bild davon, wie das Leben eines Abgeordneten aussieht", weiß Köstinger mittlerweile. Ständig muss sie zwischen Wien, Kärnten, Brüssel und Strassburg hin und herfliegen. "Mein Lebensmittelpunkt bleibt Kärnten, auch wenn ich derzeit ein Leben aus dem Koffer führe", erzählt Köstinger.

Dass es mitunter eine Herausforderung ist den Leuten daheim die Vorgänge in der EU zu vermitteln, ist ihr bewusst: "Die Themen sind sehr komplex. Es ist schwierig die wichtigsten Punkte, die man kommuniziert, aus der Themenvielfalt herauszuziehen." Das "veraltete Image" vom Bauernstand mache es doppelt schwer: "Das Bild, dass der Bauer in der Lederhose mit der Sense die Hänge mäht, ist absolut unrealistisch. Die Technisierung hat eine Wandlung dieses Berufes gebracht." Junge Bäuerinnen und Bauern seien heute vielmehr ausgebildete Unternehmer mit neuen Visionen und Zielen.

Grillitsch: "Unter Beobachtung"

Als Vizepräsidentin des österreichischen Bauernbundes und "Sympathieträgerin" in Brüssel - wie Bauernbund-Präsident Grillitsch sagt - hat es Köstinger leicht, den Kontakt zwischen Heimatland und EU zu halten. Sie selbst betont, dass sie sehr viel Unterstützung aus Österreich bekomme und als junge Abgeordnete nach ihrer Nominierung nicht im Regen stehen gelassen worden sei. Fritz Grillitsch ist nach wie vor zufrieden mit seiner Wahl: "Die ÖVP kann nur gewinnen, weil in Brüssel Netzwerke und Beziehungspflege alles sind. Elli Köstinger gelingt es durch ihre offene Art an bestehende Kontakte, etwa zu EVP-Chef Joseph Daul, anzuknüpfen." Zugleich würde sie aber auch unter großem Druck und unter Beobachtung stehen.

Nach wie vor sieht Köstinger ihre Aufgabe im EU-Parlament als große Herausforderung: "Von etwas anderem zu sprechen, wäre falsch." An die nächste Legislaturperiode denkt sie noch nicht. "Ich mache diesen Job jetzt mit Herzblut. Da hängt meine ganze Leidenschaft drinnen." Die Option eines Tages nach ihrer politischen Karriere den Hof ihrer Eltern zu übernehmen, hat Köstinger nicht mehr. In der Hofnachfolge ist sie schon ausgeschieden, ihre Schwester wird sich um das Gut kümmern. (Teresa Eder, derStandard.at, 19.01.2010)