Zutritt zum Campo Santo gibt es nur für Deutsch sprechende Besucher.

Foto: vatican.va

Der Vatikan ist von einer drei Kilometer langen Mauer umgeben. Diese schützt vor ungebetenem Zutritt ebenso wie vor neugierigen Blicken. Bleibt für den Besucher also nur die lange Warteschlange am Petersplatz. Dort stehen Touristen vor der Sicherheitskontrolle an, um den Petersdom zu besichtigen. Also einreihen?

Nein, ein pfiffiger Besucher findet einen Zugang, der ihn schneller in den Kirchenstaat gelangen lässt. Südlich der Kolonnaden öffnet sich Mitarbeitern und geschäftlichen Besuchern der Vatikanstadt das Gittertor "Arco delle campane". Zwei Männer der Schweizergarde in blau-gelb gestreiften Beinkleidern bewachen diesen Eingang. Im Winter tragen sie auch blaue Umhänge.

Der Besucher tritt an die Gardisten heran. "Buon giorno, sprechen Sie Deutsch?" Sicher ist sicher. Ein Soldat wirkt kurz irritiert, nickt aber. "Ich möchte den Campo Santo besuchen." Der junge Mann blickt auf seine Armbanduhr. Was für ein reizvoller Anachronismus zu seiner mittelalterlichen Uniform. "Ja, noch nicht zwölf Uhr, das ist möglich." Der typisch ausgesprochene ch-Laut bestätigt, dass die Gardisten wirklich aus der Schweiz kommen. Der Soldat weist die Straße in den Vatikan hinein: "Laufen Sie hier die Via Tunica entlang. Gleich hinter dem nächsten Tor nach links." "Vielen Dank." Der Besucher betritt ohne Wartezeit die Vatikanstadt. Und ohne Passkontrolle.

Links führt der Weg zur Nervi-Halle mit ihrer geschwungenen Dachkonstruktion. Darin finden die päpstlichen Generalaudienzen bei schlechtem Wetter statt. Geradeaus geht der Besucher auf das nächste Tor zu. Kreuzen hier schlendernde Priester und eilende Nonnen seinen Weg? Nein, vor allem Menschen in Business-Kleidung mit Laptoptaschen gehen diese Straße entlang. Die Vatikanstadt ist auch das Headquarter eines weltweit agierenden Konzerns. Aus dieser Perspektive ist der steil hinter der Via Tunica aufragende Petersdom der Flagshipstore des Unternehmens.

An der nächsten Schleuse winken die Gendarmen des Kirchenstaats eine Gruppe der Business-Leute durch. Im Gegensatz zur Schweizergarde, die in ihrer Uniform eine "bella figura" abgibt, tragen die Polizisten schlichte Kleidung: Dunkelblau mit Schirmmütze, darauf das päpstliche Emblem. Dafür sind sie mit einer Pistole, der Beretta, bewaffnet. Der Besucher rutscht mit den Geschäftsleuten durch diese Kontrolle und setzt sich danach nach links ab.

Dort findet er in einer Mauer den Einlass zum Campo Santo Teutonico. Im Gittertor liest er die Inschrift "Teutones in pace" und steigt über ein paar Steinstufen in einen Innenhof hinab. Er betritt den kleinen Friedhof für Deutschsprachige, der nur über die Vatikanstadt erreichbar ist. Somit ist klar, warum der Schweizergardist am Eingangstor auf Deutsch um Einlass gebeten werden muss. Traditionell wird nur Deutschsprachigen der Zugang erlaubt.

Das stille Refugium des Campo Santo schmiegt sich an die Südseite des Petersdoms. Die Kirche Santa Maria della Pietà, ein Priesterkolleg sowie die Räumlichkeiten einer nach Joseph Görres benannten Wissenschaftsgesellschaft fassen das kleine Areal vollständig ein. Das Gräberfeld, teilweise auf Podesten höher gelegt, dominieren hohe Palmen mit schlankem Stamm und stramm gen Himmel wachsende Zypressen. Alle Kieswege treffen sich in der Mitte bei einem Bronzekreuz.

Plötzlich hört der Besucher eine strenge Stimme hinter sich. "Che ci fa qui Lei? Non appartiene al gruppo?" Ein Gendarm steht auf den Stufen und sieht den Besucher forsch an. Dem Polizisten fiel auf, dass sich eine Person aus der Gruppe der Geschäftsleute kurz nach der Sperre löste. "Nein, ich bin hier, um den Campo Santo zu besuchen." Aha. Mit dieser Information gibt sich der Gendarm zufrieden und dreht wieder um. Ab jetzt kann sich der Besucher ganz entspannt der Schönheit und Stille des Areals widmen. Hier soll sich vor 2000 Jahren der Circus des Nero befunden haben, wo wahrscheinlich der Apostel Petrus kopfüber gekreuzigt wurde. Im Mittelalter stand an der Stelle ein Pilgerhaus mit Kirche, Hospital und Friedhof. Schon bald war der Campo Santo wegen seiner Nähe zum Grab des Petrus als Begräbnisort sehr beliebt.

Neben deutschsprachigen Geistlichen beerdigt man hier bis heute berühmte Personen, die in Rom lebten. So liest sich auf den Tafeln der Name des Schriftstellers Stefan Andres ebenso wie jener von Prinzessin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein. Sie war die Lebensgefährtin von Franz Liszt. Aber auch einfache Wallfahrer sind hier beerdigt. Die Inschriften erzählen: "Überglücklich im Hl. Jahr die ewige Stadt Rom zu sehen und dort beten zu können, wurde Franz Prause aus Hamburg nach Schluss seiner Pilgerfahrt am 22ten September 1925 durch einen plötzlichen Tod in ein besseres Jenseits abberufen. R.I.P. Die trauernde Witwe."

Die Gräber zwischen hohen Mauern und Arkadengängen liegen dichtgedrängt. "Auf dem Friedhof sind an die 1400 Namen eingraviert, die ältesten stammen aus dem 15. Jahrhundert", sagt Prälat Erwin Gatz, Rektor der Görres-Gesellschaft. In manchem Gang läuft der Besucher sogar auf Grabplatten, eine davon sogar mit eingemeißeltem Skelett. Auch eine Nonne wandert von Grab zu Grab, Orgelmusik klingt aus der Kirche Santa Maria della Pietà. Der Campo Santo ist als Ort der Andacht bei den Mitarbeitern im Vatikan beliebt. Bevor Josef Ratzinger Papst wurde, betete er an diesem Rückzugsort gerne den Kreuzweg. "Heute kommt der Papst nicht mehr auf den Campo Santo. Das ist in seinem Arbeitsprogramm leider nicht unterzubringen", sagt Prälat Erwin Gatz.

Apropos Arbeitsprogramm: Der Besucher möchte auch noch andere Sehenswürdigkeiten des Vatikans sehen. Deshalb zurück zum Gardisten am Eingangstor. Jetzt, wo man schon drinnen sei, könne er einen doch gleich über eine Hintertür in den Petersdom lassen, oder? Der Soldat schmunzelt: "Nein, Sie müssen sich schon bei den Sicherheitskontrollen anstellen. Ich habe aber einen Tipp: Kommen Sie sehr früh oder zur Mittagszeit, und meiden Sie den Sonntag, denn dann besuchen viele auch das Angelus-Gebet des Papstes. Dann klappt es in der Regel schnell mit dem Einlass." (Peter Fuchs/DER STANDARD/Printausgabe/24.12.2009)