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"Esfri" nennt sich der Fahrplan für eine EU-Forschungsinfrastruktur - durch "Erics" könnte sich nun sogar Österreich die Teilnahme leisten.

Fotos: STANDARD/Corn, APA, AP; Illu.: Köck

Die Gründung von Erics, also EU-Unternehmen, lässt österreichische Forscher nun hoffen, doch noch mit von der Partie zu sein.

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"Clarin ist über Eric gesichert!" Wer die volle Tragweite dieser Worte von Gerhard Budin nun möglicherweise verkennt, soll sich nicht wundern. Vor einem halben Jahr war von Eric kaum die Rede. Höchstens von Esfri - wofür es allerdings kein Geld gab. Weil Cern doch wieder sein musste.

Nur zur Erinnerung: Im Mai 2009 wollte Wissenschaftsminister Johannes Hahn dem Kernforschungszentrum Cern die Mitgliedschaft aufkündigen, um mit den frei werdenden Mitteln Beteiligungen an Projekten des European Strategy Forum on Research Infrastructures (Esfri) zu finanzieren. Zum Cern-Ausstieg kam es aber nicht, ein Mitwirken am gemeinschaftlichen Esfri-Fahrplan schien mit derart niedrigem Forschungsbudget nahezu unmöglich.

Dass der Linguist Gerhard Budin eine österreichische Beteiligung an Clarin - einem Pool für Sprachmaterial aus ganz Europa - nun doch als gesichert erachtet, hängt eben mit Eric zusammen. Eric steht für European Research Infrastructure Consortium und ist eine EU-Forschungseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit; de facto also eine Umsetzung des Lissabon-Prozesses, der auch die Gründung von EU-Unternehmen vorsieht.

Freilich finanziert sich ein solches Konsortium ebenfalls durch Beteiligungen der Mitgliedsstaaten - drei Länder müssen es mindestens sein. Daher verwundert es ein wenig, dass dafür nun doch Mittel vorhanden sind. Der wesentliche Unterschied eines Eric liegt aber in der Berechnung nationaler Beiträge. So wie die Bemessung per Netto-National-Einkommen generell kaum mehr mehrheitsfähig ist, bedeutet das auch für ein Eric: Die Höhe der Beteiligung kann völlig frei gewählt werden.

Aus dem Wissenschaftsministerium ist zu hören, dass ein Eric dennoch nicht als Allheilmittel für die Errichtung einer gemeinschaftlichen Forschungsinfrastruktur missverstanden werden darf. An der Situation, dass Österreich über dramatisch wenig Mittel verfügt, um bei Esfri dabei zu sein, habe sich im letzten halben Jahr nichts geändert. "Die Beteiligung am Projekt Fair (einer Einrichtung für die Antiprotonen- und Ionen-Forschung - Anm. d. Red.) musste bereits abgesagt werden" , so Daniel Weselka von der österreichischen Esfri-Stelle im Wissenschaftsministerium. Und man dürfe nicht vergessen, dass Clarin Österreich jährlich nur rund 100.000 Euro kosten werde - im Vergleich dazu wird der Betrieb von Fair mit 120 Mio. Euro pro Jahr für alle Mitglieder veranschlagt.

Günstige Geisteswissenschaft

So ist Eric zwar kein Heilmittel für österreichische Strukturprobleme in der Forschungsförderung, es hat aber einen interessanten Nebeneffekt: Clarin, das als Eric gegründet werden soll, ist eines der wenigen geisteswissenschaftlichen Projekte im Esfri-Fahrplan. Diese sind durchwegs günstiger als naturwissenschaftliche und haben dadurch nun eine größere Chance auf Realisierung. Und wie Gerhard Budin betont: "Selbst wenn wir bei Dariah (einem Clarin verwandten Projekt für Kulturerbe - Anm. d. Red.) nicht dabei sind, die Vernetzung zwischen den Projekten ist ausgezeichnet." Man könne bereits erahnen, wie effektiv Investitionen in die gemeinsame Infrastruktur sind, da sie eben gebündelt werden - ein Argument, das auch der Vorsitzende von Esfri, Carlo Rizzuto, immer wieder ins Treffen führt.

Dass Österreich der Vorwurf gemacht werden könnte, großer Nutznießer mit kleiner Beteiligung an der EU-Infrastruktur zu sein, glaubt man im Wissenschaftsministerium nicht. "Die Beteiligung an einem Eric wird ohnehin vorher ausverhandelt" , meint Weselka.

Kurt Zatloukal, der Leiter des Projekts BBMRI - Biobank für biomolekulare Bestände - geht mit dieser Einschätzung sogar noch einen Schritt weiter: "In diesem Fall ist nur die Exzellenz der Forscher in Österreich dafür verantwortlich, dass man uns überhaupt ernst nimmt." Finanzkräftigere Partnerländer hätten bereits befürwortet, das künftige BBMRI-Headquarters in Graz zu errichten, weil die Führungsrolle Österreichs auf diesem Sektor anerkannt werde. Außerdem schätze man hier die "kurzen Entscheidungswege" .

Auch diese EU-Einrichtung, die unter anderem der Erforschung multifaktorieller Krankheitsbilder dienen soll, wird als Eric gegründet. Die Idee, mit Eric EU-Unternehmen zu gründen, bezeichnet Zatloukal als "Success-Story" der Kommission, die man ihr nicht nehmen sollte. Grundsätzlich bedeute ein als Eric gegründetes Headquarter eine enorme Rationalisierung im Vergleich zu einzelnen nationalstaatlichen Forschungsstellen. Sowohl die Beteiligung Österreichs mit rund 1,6 Mio. Euro im Jahr als auch den Standort Graz hält er für sehr wahrscheinlich.

Daniel Weselka aus dem Wissenschaftsministerium bestätigt: "Da können wir nicht mehr zurück." Die gleichzeitig unverändert gebliebene Notsituation bei der österreichischen Beteiligung am Esfri-Fahrplan umschreibt er so: "Was notwendig ist, werden wir tun." (Sascha Aumüller/DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2009)