Armando Andrade Tudela untersucht modernes Vokabular in seiner Heimat Peru: Abstrakte geometrische Formen entwickelten sich dort im sozialen Raum ("Camión", 60-teilige Fotoserie, 2003).

Foto: Tudela

"Das Wichtigste ist Licht. Licht ist Leben", sagte US-Architekt Richard Meier. Neben Gebäuden wie dem berühmten Getty Center in Los Angeles oder dem Siemens Forum in München baute der Pritzker-Preisträger auch das Macba, das Museum zeitgenössischer Kunst in Barcelona, ein - den Prinzipien Le Corbusiers folgend - 1995 in bester Tradition der Moderne errichteter Bau.

Und ebendiesen Lebensquell Licht suchen an einem Wintervormittag ebendort auch jene, die man getrost zu den Verlierern der Moderne, des Kapitalismus und Fortschrittsglaubens, zählen kann. Ebenso wie eine Handvoll Jugendlicher mit Gitarre recken sie vor der imposanten, weiß umfangenen Glasfassade die Nasen in die Sonne. Gegenüber in einer schattigen Hausecke hat ein Obdachloser seine Habseligkeiten verstaut. Dass die Bar "der Engel" gleich nebenan die Stühle hochgestellt hat, wird zum ironischen Kommentar.

Modernologies - Contemporary Artist Researching Modernity and Modernism titelt die Ausstellung im Inneren der Architektur aus Beton, Stahl und Glas, die - wie die Moderne es einst verlangte - sich an den reinen Zweckformen der Technik und Industrie schulte. Und so scheinen sozialer Außenraum, architektonische Hülle und die darin eingeschlossenen Inhalte, die das immense künstlerische Interesse an der Moderne und ihren Auswirkungen abbilden, zu einer Trias zu werden, wo das eine nicht ohne das andere erlebt werden kann.

Kuratiert hat die Schau, deren rund 30 künstlerischen Projekte diese vielversprechende gesellschaftspolitische Bewegung, ihre Utopien und Schattenseiten untersuchen, Sabine Breitwieser. Die Österreicherin, die gut 20 Jahre die Geschicke der Generali Foundation in Wien lenkte und als Anwärterin für den Leitungsposten im Mumok gilt, darf aktuell auf den mit 100.000 Dollar dotierten Ordway-Preis des New Yorker New Museums hoffen, der in den nächsten Tagen vergeben wird.

In Barcelona könnte es für Modernologies dramaturgisch nicht besser laufen: Eine Rampe führt durch eine lichtdurchflutete Ode an moderne Architekturprinzipien in die eigentlichen Ausstellungsräume im dritten Geschoß. Auf dem durch das einfallende Sonnenlicht blendenden Weiß der Mauern zeichnen Geländer- und Raumkanten ein spannungsreiches Schattenspiel, das an Filmkader denken lässt: Ein flimmernder Prolog also, der auf eine "Epoche" einstimmt, die eigentlich keine ist und sich sowohl zeitlich als auch geografisch kaum fassen lässt.

Wird in der Lehre Corbusiers die reine Funktionalität der Maschine zum Vorbild für die Gebäudegestaltung, so platzt genau in diese strenge Harmonie ein Beitrag, der die "Mechanisierung" und Regulierung des Körpers thematisiert: "The body is a machine" und "Machines are slaves". Henrik Olesens Bild-Text-Collagen illustrieren das Leben von Alan Turing, dem Erfinder des binären Codes und des Computers, der in einer modernen, also auch individualisierten Gesellschaft zur psychiatrischen und hormonellen Behandlung seiner Homosexualität gezwungen wird. 1954 begeht Turing Selbstmord. Der Körper als Symbol des Individuellen verschwindet im Ausmaß seiner Instrumentalisierung.

Der eigentliche Auftakt - abgesehen von Isa Genzkens im Eingangsbereich ungünstig, weil isoliert platzierter Installation Oil - beginnt aber mit der Skulptur des katalanischen Künstlers Domènec im Foyer, die dort im Dialog mit dem öffentlichen Raum steht: In Existenzminimum (2002) wandelt er Mies van der Rohes Denkmal der Novemberrevolution zu einer minimalen Wohnskulptur in Zeltgröße um, bezieht sich damit auf zeitgleiche Überlegungen zu einer Wohnung für das Existenzminimum (1929) und verknüpft so sozial-politische Ansprüche der Moderne mit ihrem Scheitern.

Zu Höchstpreisen versteigert

Dort hakt auch Àngela Ferreira ein: Er lenkt den Blick auf Jean Prouvés Aluminium-Fertighaus Maison Tropicale von 1951. Alle drei Prototypen wurden erfolgreich in Afrika errichtet. Fünfzig Jahre später befand man jedoch, dass die Bauten des Designers in der westlichen Welt effektiver genutzt werden könnten: Man versteigerte sie zu Höchstpreisen.

Verlieh die Architektur des Macbas den gut ausgewählten künstlerischen Reflektionen zu Modernität und Modernismus zu Beginn Weite und Lichte, so sperrt sie die Positionen nun in vergleichsweise verwinkelte Räume. Ein bauliches Defizit, das freilich die Betrachtung einzelner Arbeiten konzentrierter werden lässt. Sie erscheinen dadurch nicht allein als Argument einer Kette, sondern für sich selbst stehend.

Besonders zugänglich erweisen sich jene Arbeiten, die mit architektonischen und ästhetischen Prinzipien der Moderne operieren. Bereits historisch, aber trotzdem sehr gut sind Gordon Matta-Clarks vehementes Statement Window Blow-Out (1976) und Stephen Willats Studien zur Lebensrealität in Hochhäusern (1977). Oder auch Gustav Metzgers revolutionäres Autodestruktives Monument (1960): Eine Londoner Zeitung reagierte auf die Präsentation mit der Titelzeile "Modern Art will fall to bits". (Anne Katrin Feßler aus Barcelona / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.1.2010)