Zehn Jahre ist es heuer her, seit Wolfgang Schüssel die FPÖ in die Regierung holte und ein Teil der Österreicher - es war wohl der kleinere - Kopf stand vor Empörung. Der größere Teil empörte sich über die darauffolgenden Sanktionen der EU. Was hat sich seither geändert? Mein Eindruck: Die extreme Rechte ist stärker und unverschämter geworden, die Empörung geringer und die schleichende Stracheisierung hat sich bis in die Ränder der demokratischen Parteien und der demokratischen Institutionen hineingefressen.

Wiederbetätigung ist nach wie vor verboten. Aber Betätigung nicht. Wiederbetätigung heißen Aktivitäten, die auf die Wiedererrichtung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei hinzielen. Wer im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee "Sieg Heil" ruft, hat ein Problem, wenn auch kein sehr großes. Wer Muslime beleidigt und Sonderlager für Asylwerber errichtet, hat keins. Das ist keine Wiederbetätigung. Was ist es dann? Betätigung. Und die ist erlaubt.

Vor einigen Wochen berichtete das Magazin "News" über ein Bildungsseminar der FPÖ zum Thema Islam. Die Vortragende war eine selbsternannte Islamwissenschafterin, Vorstandsmitglied des ÖVP-nahen Akademikerbundes. Unter den Teilnehmern, neben der unerkannt angemeldeten Reporterin, ein Beamter des Innenministeriums.

Was da, laut "News", geboten wurde, könnte eins zu eins aus dem Nazi-Hetzblatt "Der Stürmer" stammen, wenn man statt des Wortes "Muslime" das Wort "Juden" einsetzte. Es war alles da, von der Weltverschwörung bis zu den angeblichen Charaktereigenschaften der Islam-Gläubigen.

Ein Klassiker aus dem "Stürmer"-Repertoire war die Geschichte vom Deutschen Schäferhund. Sein Onkel habe einen solchen, wusste ein Kursteilnehmer zu erzählen, der werde "sofort scharf" , wenn sich ein Moslem nähere. Allgemeine Zustimmung. Ja, der Deutsche Schäferhund mit seinem untrüglichen Instinkt, der kann so was. Früher, zu "Stürmer"-Zeiten, konnte er Juden riechen. Aber von Juden, das haben die Damen und Herren inzwischen gelernt, lässt man heutzutage besser die Finger. Das kann die Ostküste auf den Plan rufen, und dann gibt es Troubles. Muslime anpinkeln dagegen ist okay. Wiederbetätigung? Wir doch nicht.

Man hat nicht gehört, dass die "News"-Geschichte große Folgen gezeitigt hätte. Eine Anfrage der Grünen war noch die gewichtigste. Die "Islam-Expertin" scheint nach wie vor in Amt und Würden zu sein. Die FPÖ-"Bildungsarbeit" wird nach wie vor aus Steuermitteln gefördert. Die Betätigung geht ungeniert weiter. Wir haben uns offensichtlich an derlei inzwischen gewöhnt. So ist es eben bei uns, sagen wir achselzuckend. Wir wären schon froh, wenn diese Leute wenigstens keine Banken managten.

Als die ÖVP-FPÖ-Koalition entstand, war der Wiener Heldenplatz schwarz von Gegendemonstranten. "Keine Koalition mit dem Rassismus" lautete damals die Losung. Zehn Jahre später ist die FPÖ zwar nicht in der Regierung, aber eine Koalition mit dem Rassismus, so scheint es, ist inzwischen auf vielen Gebieten bereits voll in Betrieb. (Barbara Coudenhove-Kalergi, DER STANDARD-Printausgabe, 5.1.2010)