In Tübingen haben sich großstädtische "Häuselbauer" bereits selbst verwirklicht - wie hier im "Französischen Viertel".

Foto: Universitätsstadt Tübingen

Wien - Es ist der alte Traum, in dem man vor vielen Jahren gemeinsam mit Freunden schwelgte: Ein Doppelhaus oder ein gemeinschaftliches Bauprojekt - und dann genau so wohnen, wie man sich das vorstellt. Frei nach dem alten Werbeslogan: Ich will so wohnen, wie ich bin.

Das bietet nun die Entwicklungsgesellschaft "Wien 34 20" für einen Teil der Baugründe in der "Seestadt Aspern" an: Auf dem ehemaligen Flugfeld können Wohnhäuser entstehen, die von "Baugruppen" nahezu vollkommen frei gestaltet werden können. "Vorerst sind rund 70 Wohneinheiten vorgesehen", berichtet Josef Lueger von "Wien 34 20" im Standard-Gespräch. "Ein erster Gehversuch, der je nach Resonanz auch erweiterbar ist."

Vorbild in Wien ist das Projekt Sargfabrik, das 1996 nach vielen Jahren der gemeinsamen Planung in der Goldschlagstraße in Wien-Penzing von seinen Bewohnern eröffnet worden war. Das selbstbestimmte und selbstverwaltete Bauprojekt wurde nicht nur mit Architekturpreisen ausgezeichnet, sondern war auch derart erfolgreich, dass es mit dem Folgeprojekt "Miss Sargfabrik" in der benachbarten Missindorfstraße fortgesetzt wurde. Dass ein selbstbestimmtes Bauen auch mit öffentlicher Unterstützung möglich ist, zeigen jüngste Baugruppen-Projekte, die in Deutschland geradezu boomen - etwa in Berlin, Hamburg oder Tübingen.

Urbaner Dorfplatz

In der Wiener Seestadt sollen die Baugruppen-Häuser dort entstehen, wo derzeit der Infopoint der Entwicklungsgesellschaft steht - dort, wo am Rande eines Parks eine Art urbaner Dorfplatz entstehen soll. Mit Gastronomie, Apotheke, Nahversorgung und Dienstleistungen.

Die Mitglieder der Baugruppen können dann selbst entscheiden, wie ihre Häuser aussehen sollen, wie die Grundrisse der Wohnungen gestaltet werden, wie groß die Gemeinschaftsräume werden sollen und was in sie hineinkommen soll - und ob das Dach vielleicht begrünt wird oder einen Pool bekommt. Sogar bis hin zur Raumhöhe in den Wohnungen reicht die Freiheit - in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen wird dafür entsprechend "Luft" gelassen. Bei Bedarf können die Bewohner etwa in den Erdgeschoßzonen ihrer Häuser auch gleich Raum für ihren Arbeitsplatz beziehungsweise für Büros schaffen.

Niedrigenergie- oder Passivhausstandard

Im Vorfeld müssen die Baugruppen nachweisen können, dass sie rechtlich und finanziell in der Lage sind, ein derartiges Projekt abzuwickeln. Eine weitere Vorgabe ist der Niedrigenergie- oder Passivhausstandard für die Gebäude. Und da die Häuser nahe einer U2-Station stehen werden, strebt die Entwicklungsgesellschaft auch einen geringeren Parkplatz-Schlüssel an - nicht pro Wohnung ein Stellplatz, sondern im Verhältnis eins zu 0,7. Grundsätzlich soll im Grätzel der sanften Mobilität Vorrang eingeräumt werden. "Jetzt ist dort nur Wiese - aber es wird ein städtisches Projekt", erläutert Lueger. "Was wir jetzt suchen, sind urbane Menschen mit Pioniergeist, die auch Dichte vertragen."

Die Entwicklungsgesellschaft wird für dieses Vorhaben keine Planungsleistungen oder Verträge bereitstellen - "das ist Teil der Gruppenfindung", betont Lueger. Bei Bedarf wird "Wien 34 20" aber beraten und Kontakte anbieten. "Das Baugruppenprojekt ist derzeit ein kleiner Rahmen, aber mit großem Gestaltungsspielraum", so Lueger. "Kein verordneter Weg, sondern ein Möglichkeitsraum." Ein Motiv der Entwicklungsgesellschaft, die vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds und der BIG gegründet wurde: "Es schafft Bindung und Identifikation, wenn man auf den künftigen Lebensraum selbst zugreifen kann." (Roman David-Freihsl/DER STANDARD-Printausgabe, 5.1.2010)