"Ahornbäume bei Ischl" : Hortense Eissler verkaufte das Gemälde 1940 an Hans Posse für das geplante Führermuseum.

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"Die Malkunst" von Jan Vermeer: Jaromir Czernin verkaufte das Bild 1940 an Hitler.

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Hortense Eissler hatte es 1940 an die NS-Machthaber verkauft. Insider sehen Auswirkungen auf den Fall Czernin.

Wien – Die Kustoden des Kunsthistorischen Museums schlüpften in die Rolle der Ermittler von Crime Scene Investigation (CSI): Sie nahmen eine "Spurensicherung" an der Malkunst von Jan Vermeer vor, dem wohl wertvollsten Gemälde der Sammlung. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in einer Ausstellung, die am 25. Jänner eröffnet wird. Mit der zentralen Frage aber beschäftigen sich die Kustoden nicht: Ob Die Malkunst zu Recht im Eigentum des KHM ist.

Das Gemälde gehörte Jaromir Czernin: Er verkaufte es 1940 an Adolf Hitler. Die Malkunst sollte ein Highlight des geplanten Führermuseums in Linz werden. Und die Republik sicherte sich das Bild 1952: In einem Volksgerichtsverfahren gegen Hitler wurde dessen Vermögen in Österreich – eben der Vermeer – für verfallen erklärt.

Der 2006 gestorbene Journalist Hubertus Czernin gelangte zwar zur Erkenntnis, wie er am 26. Februar 1998 im Standard schrieb, dass die von Jaromir Czernin in der Nachkriegszeit angestrengte Restitution "zu Recht nicht erfolgt" sei. Denn: "Dem Kläger war es nie gelungen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass er in der Nazizeit den seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Familienbesitz befindlichen Künstler in seinem Atelier wegen politischen Drucks an Hitler hatte veräußern müssen."

Die Erben nach Jaromir Czernin hingegen vertreten die Meinung, dass sehr wohl ein Akt der Nötigung vorlag. der Standard berichtete am 5. September 2009 exklusiv über die neue Forderung auf Restitution. Wann sich der Rückgabebeirat mit dem Fall, den die Kommission für Provenienzforschung gegenwärtig aufbereitet, beschäftigen wird, ist noch nicht abschätzbar. In seiner letzten Sitzung gab er allerdings eine Empfehlung im Fall Eissler ab, die, wie Insider meinen, Schlüsse auf den Fall Czernin zuließe: Kulturministerin Claudia Schmied wurde geraten, das Gemälde Ahornbäume bei Ischl von Ferdinand Georg Waldmüller, das sich im Belvedere befindet, nicht zu restituieren.

Hermann Eissler (1860-1953), als Jude verfolgt, war mit der bedeutend jüngeren, in der NS-Terminologie als "Arierin" geltenden Hortense Eissler (1895-1983) verheiratet. Im Frühjahr 1939 gelang ihm die Flucht nach Ungarn, später über die Schweiz nach Nizza. Um das Vermögen vor Entziehung zu schützen, hatte Eissler seiner Frau bereits 1938 diverse Kunstwerke, darunter auch den Waldmüller, geschenkt. Im August 1939 ließen sich die beiden scheiden. 1951 heirateten sie erneut.

Ahornbäume bei Ischl, von den US-Behörden sichergestellt und 1948 dem Bundesdenkmalamt übergeben, gelangte 1963 ins Belvedere. Hortense Eissler nahm das Gemälde dort 1964 wahr. Da die Fristen bereits abgelaufen waren, ersuchte sie um Rückstellung "im Gnadenwege" . Erfolglos: 1967 teilte Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perèević brieflich mit, dass das Gemälde 1940 von ihr "nach längeren Verhandlungen, somit unter durchaus normalen Umständen, zu einem zumindest als angemessen zu bezeichnenden Preis verkauft" worden war. Ein Entziehungstatbestand liege daher "zweifelsfrei nicht" vor.

Daraufhin brachte Hortense Eissler Klage beim Landesgericht Wien ein. In ihrer Einvernahme am 12. Oktober 1971 gab sie an, dass sie von Josef Zykan im Auftrag von Hans Posse, zuständig für das Führermuseum Linz, unter Druck gesetzt worden sei: "Dr. Zykan hat mir bei seinem Besuch in meiner Wohnung geraten, ich möge etwas hergeben, damit ich keine Schwierigkeiten habe."

Im Urteil hielt das Gericht aber fest, dass die Klägerin keine "konkreten Umstände eines gegen sie ausgeübten Zwanges oder sonstigen Terrors angeben" konnte. Auf sie sei "weder Zwang zum Verkauf ausgeübt" worden noch sei sie "parteipolitischen Umtrieben oder gar schikanösen Handlungen durch unnötige Vorladungen ausgesetzt gewesen" . Das Landesgericht nahm als erwiesen an, dass der Verkauf "frei von Willensmängeln war" und wies die Klage ab.

In der Tat hatte sich Josef Zykan im Juli 1940 an Hortense Eissler gewandt. Er bat sie "in höherem Auftrag um Bekanntgabe, zu welchem Preise" sie den Waldmüller abzugeben bereit sei. Hortense Eissler antwortete, dass ihr zwei Jahre zuvor 15.000 Reichsmark für das Bild geboten worden seien.

Posse war der Betrag zu hoch: Er nannte 12.000 Reichsmark. Hortense Eissler empfand diese Summe als "sehr befremdend" . Das Bild habe einen Wert von 17.000 Reichsmark, sie hätte nur "aus besonderem Entgegenkommen" den Betrag von 15.000 Reichsmark genannt. "Auch ist die Spanne von 15.000 auf 12.000 Reichsmark zu groß, als dass man sie diskutieren könnte." Als alleinstehende Frau könne sie "nicht leichten Herzens auf 3000 Reichsmark verzichten." In der Folge erhöhte Posse sein Anbot auf 15.000 Reichsmark, das Hortense Eissler annahm.

"Frei von Willensmängeln"

Der Rückgabebeirat pflichtet dem Landesgericht bei: Es habe "zu Recht erkannt" , dass der Verkauf frei von Willensmängeln erfolgte. Die Ehe war zum Zeitpunkt der Veräußerung bereits aufgehoben, Hortense Eissler als "Arierin" nicht verfolgt. Da sie zudem das Gemälde zu dem von ihr geforderten, über dem von Hans Posse ursprünglich gebotenen Preis veräußerte, "ist auch hieraus nicht auf eine Verfolgungssituation zu schließen. Der Beirat wertet daher auch den Verkauf nicht als nichtiges Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Nichtigkeitsgesetz."

Andreas Theiss, Anwalt der Erben nach Jaromir Czernin, meint, dass der Rückgabebeirat richtig entschieden habe. Dass die Empfehlung ein Indiz für den von ihm betreuten Fall sei, glaubt er nicht:"Die Empfehlung spricht für uns. Denn Hortense Eissler diktierte Posse den Preis. In unserem Fall ist es aber genau umgekehrt: Hitler hat den Preis diktiert."

Jaromir Czernin, damals mit Alix May, einem laut NS-Diktion "Mischling zweiten Grades" , verheiratet, wurde es verunmöglicht, den Vermeer um eine Million Golddollar an den US-Staatssekretär Mellon beziehungsweise in der Folge um zwei Millionen Reichsmark an den Tabakindustriellen Reemtsma zu verkaufen. Dieser Preis war Hitler zudem zu hoch: Czernin hatte sich im Endeffekt mit 1,65 Millionen zufriedenzugeben. Theiss ist daher überzeugt:"Nach den Bestimmungen des Kunstrückgabegesetzes muss das Bild zurückgegeben werden." (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 07.01.2010)