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Wem zu viele Gedanken durchs Hirn schwirren, als dass er sich entscheiden könnte: Ed Ruschas "Ich glaube, ich werde".

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Für manche ist er der große Zauderer, der Abwägende, der Perfektionist. Dass Barack Obama seinen Humor eingebüßt hat, kann ihm dagegen niemand ankreiden, sein Kunstgeschmack verrät einen ausgeprägten Hang zur Selbstironie.

Ich glaube, ich werde heißt ein Bild des Malers Ed Ruscha, das nun im Weißen Haus hängt. Gegen einen glutrot glühenden Himmel hat der Künstler Worte gesetzt, die auf den Punkt bringen, wie sich jemand fühlt, dem zu viele Gedanken auf einmal durchs Hirn schwirren, als dass er sich entscheiden könnte: "Wart mal eine Minute ..." "Wenn man sich's recht überlegt ..." "Vielleicht ... ja." "Vielleicht ... nein." Damit wäre in lakonischer Kürze zusammengefasst, wie Kritiker den Präsidenten sehen. Obama, der ewige Juraprofessor, die personifizierte Vorsicht. Ein Reformer mit angezogener Handbremse.

45 Kunstwerke hat er sich, beraten von seiner Gattin Michelle und dem kalifornischen Designer Michael Smith, von Museen geliehen, um sie im Weißen Haus zu präsentieren. Es ist ein radikaler Bruch mit seinem Vorgänger George W. Bush, der Malereien mit Cowboys, texanischer Weite, texanischen Kakteenwüsten schätzte. Bei Obamas dominiert Modernes, so modern, wie etwas sein darf in dem historischen Ambiente. Nach einer festen Regel muss, was in Diensträumen wie dem Oval Office ausgestellt wird, älter als 25 Jahre sein. Jüngere Kunst darf nur in den Privatgemächern hängen.

Lagerware fürs Oval Office

Abstrakte Formen und starke Farbkontraste seien das Typische, die First Family möge es mutig, sagt Harry Cooper, Kurator der National Gallery of Art in Washington, aus der etwa die Hälfte der Leihgaben stammt. Dabei durfte nichts, was in der Galerie ausgestellt war, abgenommen werden, um es ins Weiße Haus zu verfrachten. "Das hat uns darauf beschränkt, im Lager nachzusehen. Was es dort gab, war aber auch nicht gerade wenig."

Etwa Mark Rothko, einen der bedeutendsten Vertreter des abstrakten Expressionismus; Jasper Johns, Meister der amerikanischen Pop-Art. Oder Bauhaus-Künstler Josef Albers, 1888 in Bottrop geboren und1933 in die Vereinigten Staaten emigriert.

Auch Afroamerikaner kommen zu Ehren, so akzentuiert wie nie zuvor in der Machtzentrale: Alma Thomas beispielsweise, die erste Schwarze, der das New Yorker Whitney-Museum 1971 eine eigene Ausstellung widmete. Oder Glenn Ligon, aufgewachsen in der Bronx. Sein Black Like Me No. 2 hat ein historisches Vorbild.

Ligon, dunkelhäutig und schwul, bezieht sich auf einen Roman, der Anfang der 60er-Jahre für Aufsehen sorgte. In Black Like Me erzählte John Howard Griffin, wie es Afroamerikanern im rassistischen Süden ergeht. Von New Orleans, wo er sich sein Gesicht künstlich schwärzte und seinen Schädel rasierte, brach er zu einer Reise durch Louisiana, Mississippi, Alabama und Georgia auf. In schockierenden Episoden beschrieb er, was einem widerfährt, der sich in nichts geändert hat außer in der Farbe seiner Haut. Ligon, nur ein Jahr älter als Obama, griff es auf, um ein anderes Ausgegrenztsein zu schildern: das eines Menschen, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt.

Ed Ruscha wiederum mag die Art, wie sich Mister President auf die Schippe zu nehmen weiß, und sei es auch nur bei der Dekoration. "Ich hoffe", lässt er in lockerem Ton wissen, "mein Bild hat den umgekehrten Effekt auf den Entscheidungsprozess dieser Administration." Der Blick auf das Vielleicht-ja-vielleicht-nein, will Ruscha sagen, könnte dem Hausherrn doch helfen, sich einen Ruck zu geben. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD/Printausgabe, 09./10.01.2010)