Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Lido-Deck. Damit an Bord der "MS Europa" alles glattgeht, bedarf es einer ausgefeilten Logistik.

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Foto: hlkf.de

"Auf der Karte stehen 375 Weine - da können wir gar nicht die ganze Menge mitschippern", plaudert Stefan Femerling aus der hohen Schule der Luxus-Logistik. "Wenn ein Gast am dritten Abend hintereinander den gleichen Spitzenwein bestellt, wird das Personal im Hintergrund ein wenig nervös - wenn nur sechs Flaschen an Bord sind." Dann wird die Maschinerie der weltweiten Versorgungskette in Gang gesetzt - und eine Weinkiste geht auf Flugreise. Schließlich ist die "MS Europa" fast immer gerade irgendwo in der Welt unterwegs. Und bei einem Luxuskreuzfahrtschiff, das als einziges gerade bereits zum zehnten Mal in Folge vom Berlitz Cruise Guide mit der Wertung Fünf-Sterne-Plus ausgezeichnet wurde, ist ein "gut - aber aus" schlicht undenkbar.

Stefan Femerling vom Sea Chefs Cruise Services in Hamburg ist dafür verantwortlich, dass auf dem Luxusliner der Reederei Hapag-Lloyd die Lagerbestände stets in bester Qualität auf Stand sind. "Wir beschäftigen eine ganze Armada an Flugzeugen, die ständig hinter der ,MS Europa' hinterherfliegt."

"Während der Weltreise werden drei Monate im Voraus die Bestellungen geordert", erzählt Stefan Wilke. "Der Tagesverbrauch wird vorher per Software ausgerechnet." Im Schnitt wird alle zwei Wochen geliefert. Pro Menü müssen etwa 60 Kilo Rinderfilets gebunkert werden, deren Qualität auch peinlich genau kontrolliert werden muss. Pro Lieferung kommen tonnenweise Mehl, Schlagobers, Milch, Zucker - und zwar containerweise. "Frischware wird lokal bestellt", ergänzt Wilke. Für zehn, zwölf Tage sind rund 15 bis 17 Tonnen Obst und Gemüse zu ordern - dazu eine Tonne Mango, Melonen und Ananas.

Der Lieferplan für eine zweiwöchige Etappe sieht in etwa so aus: 3,5 Tonnen Fleisch, 1,3 Tonnen Rind, 390 bis 410 Kilo Rinderfilet, 16.000 Eier, 20 Kilo Kaviar, 1300 Austern, 400 Hummer oder Langusten. Das bekommt man nicht von heute auf morgen. Die Ladung, die beispielsweise im Februar in Australien an Bord kommt - wurde bereits im November bestellt. Dazu kommt das tägliche Improvisieren. "Abends soll es pochierten Fisch geben? Da schau ich etwa am Morgen in Barcelona, was frisch angeboten wird, da hab ich noch keine Ahnung, was einen halben Tag später auf den Tisch kommt", berichtet der erst 29-jährige Wilkes. "Ich versuche auch, Erlebnisküche reinzubringen. Hamur-Fisch in Arabien, Papageienfisch in der Südsee, Beef in Südamerika, Iberico-Schwein in Spanien."

Hin und wieder kann allerdings doch etwas schiefgehen. Femerling erinnert sich: "Wenn eine Ladung Austern bei 40 Grad 15 Minuten auf Pferdekarren vor dem Schiff steht, dann denken sich die Dinger: Schöne Reise - aber jetzt bin ich mal tot." Dann muss schnell reagiert und umdisponiert werden. Und der Lieferant kann sich unweigerlich für künftige Aufträge einen anderen Abnehmer suchen.

Ist alles verstaut und die "MS Europa" wieder auf Tour, ist das Küchenteam rund um die Uhr im Einsatz - wer will, kann auf diesem Schiff 24 Stunden am Tag etwas ordern. Die Karte bietet dann etwa "Geeistes vom Straußenfilet mit marinierten Palmenherzen und Teesirup" - ein "Süppchen vom Krabbenfleisch mit Safran und Avocados" oder das "Rinderfiletsteak mit geschmorten Paprikaschoten, würzig gebratenen Kartoffeln und leicht geräucherter BBQ-Sauce".

Das alles muss auch dann punktgenau auf den Tisch kommen, wenn's draußen auch noch so ruppig zugeht. "Bei hohem Seegang werden die Töpfe auf dem Herd mit Eisenstangen gesichert. Schutzmatten verhindern das Abrutschen der Teller", erläutert Wilke die Sicherheitsmaßnahmen. Bei aller Perfektion - manches ist beim besten Willen nicht planbar "Seekrankheit kann jeden treffen", weiß er, auch wenn er selbst davon bisher verschont blieb. Aber wenn bei hoher See im Personal "ein paar ausfallen, haben wir ja auch erfahrungsgemäß bei den Passagieren weniger zu tun", sagt der Küchenchef.

Das Wichtigste ist aber: Von all dem, was da im Hintergrund abläuft, dürfen die Passagiere nichts merken, wenn sie sich in einem der vier Restaurants an Bord niederlassen. Der Aufwand ist dementsprechend ein großer - den bis zu 408 Passagieren steht immerhin eine Crew von insgesamt 290 Personen gegenüber. Und wenn es so richtig hoch hergeht, hören die Gäste höchstens ein freundliches, aber bestimmtes: "Die Patisserie säuft ab. Kannste mal aushelfen? I love you." (Roman Freihsl/DER STANDARD/Printausgabe/9.1.2010)

Info: www.hlkf.de
Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Lido-Deck. Damit an Bord der "MS Europa" alles glattgeht, bedarf es einer ausgefeilten Logistik. Foto: hlkf.de