Wien - Kritische Stimmen wurden in den Reaktionen an der am Mittwoch von Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP) präsentierten Treibhausgas-Bilanz 2008 laut. "Die heute vom Landwirtschaftsminister vorgelegte Klimabilanz für das Jahr 2008 legt die drastischen Versäumnisse der vergangenen Jahre in der Klimapolitik offen", sagte Christoph Streissler, Klimaexperte der Arbeiterkammer (AK). Von Fortschritten im Verkehrsbereich sprachen lediglich die Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ.

Forderungen

Die Klimabilanz zeige laut AK deutlich, dass im Verkehr dringender Handlungsbedarf besteht: Seit 1990 sind dort die Emissionen um 61 Prozent gestiegen. Effizienter Energieeinsatz im Verkehr bedeute, den Transport von Personen und Gütern auf der Schiene massiv auszubauen, unter anderem durch Verbesserungen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Auch im Bereich der Raumwärme bestehen nach Ansicht der AK enorme Potenziale: Die Wärmedämmung von Gebäuden müsse rasch vorangetrieben und die bisher verlorene Abwärme von Industrie- und Energieanlagen für die Fernwärmeversorgung eingesetzt werden.

Für die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner offenbarte die Treibhausgas-Bilanz "den verantwortungslosen Stillstand in der Klimapolitik der Bundesregierung". "Solche Zahlen schönzureden ist eigentlich unmöglich. Dass der Umweltminister dies heute früh doch versucht hat, kann ich mir eigentlich nur mit Realitätsverlust erklären."

Greenpeace sprach in einer Aussendung von einer Stagnation auf "blamablem Niveau". "Da wir bereits in der Kyoto-Periode angekommen sind, kostet jede Tonne CO2 Geld. Das Scheitern der österreichischen Klimapolitik im letzten Jahrzehnt kommt den österreichischen Steuerzahler teuer zu stehen", kritisierte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl. "Derzeit ist Österreich die Billigtankstelle Europas, was uns nicht nur eine Lkw-Lawine beschert, sondern auch unsere Klimabilanz massiv verschlechtert."

Ein unverzügliches gemeinsames Handeln von Bund und Ländern für ein fortschrittliches Klimaschutzgesetz forderte Manuel Graf, Klimasprecher der Umweltorganisation Global 2000. "Der Zukauf von Verschmutzungsrechten ist der falsche Weg: Wenig Klimaschutz wird mit viel Steuergeld erkauft, ohne langfristige Wirkung und ohne dass Österreich vom Zukunftsmarkt Klimaschutz profitiert."

"Versagen"

Nach Auffassung des Umweltdachverbandes hat die heimische Klimapolitik versagt. "Jetzt müssen rasch Taten folgen: Wir brauchen endlich ein funktionierendes Ökostrom-Förderregime, wie es mittlerweile in Europa Standard ist", forderte Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes.

Von Fortschritten im Verkehrsbereich sprachen lediglich die Autofahrerclubs. Laut ARBÖ sind die Autofahrer im Jahr 2008 im Marathonlauf zum Kioto-Ziel gut gestartet. Der Verkehr zähle zu jenen Bereichen, die am meisten zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beigetragen haben. Außerdem zeigen dem Club zufolge Statistiken, dass die Österreicher deutlich weniger gefahren sind und deutlich mehr spritsparende Kleinautos gekauft haben.

Laut ÖAMTC liege Österreichs Verkehr gar auf Kyoto-Kurs, wenn man den Anteil des Tanktourismus aus der Bilanz herausrechne, war Mario Rohracher, Chef der Interessensvertretung, überzeugt. Dem Verkehr werden 22,6 Millionen Tonnen zugeordnet, davon stammen 25 Prozent aus dem Tanktourismus. Das Argument, höhere Spritpreise würden automatisch zu geringerem Kraftstoffverbrauch führen, wies Rohracher als Wunschdenken zurück. Studien würden zeigen, dass die Konsumenten auf Spritpreis-Steigerungen unelastisch reagieren. "Solange gleichwertige Angebote und attraktive Anreize zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel fehlen, ist das Auto in vielen Fällen eben die einzige realistische Alternative", sagte Rohracher. (APA)