Rumiana Jeleva ist eine Frau, die auf perfektes Auftreten, äußerlichen Eindruck beim Gegenüber, auf ihre Wirkung größten Wert legt. Das zeigt sich nicht nur an Haltung, Kleidung, Schmuck und Schminke der Bulgarin bei ihren vielen öffentlichen Auftritten. Ihr Hang zur Pflege von Eleganz und Perfektion der Oberfläche springt einem auch beim ersten Blick auf ihre Homepage ins Auge. Zuerst klappt dort elegant der Terminkalender der 40-Jährigen auf, die seit sechs Monaten Außenministerin ihres Landes ist. Darin findet sich ein feines Fotoalbum: Frau Jeleva mit Papst Benedikt XVI. in Rom, mit dem Ehepaar Obama in Washington, mit Frankreichs Altpräsident Valery Giscard d'Estaing in Paris, vom Nato-Außenministertreffen in Brüssel mit Hillary Clinton und so fort.

Dr. Rumiana Jeleva, die Superfrau, studierte Wirtschaftssoziologin, verheiratet mit einem Mann "aus der Bankbranche", keine Kinder, spricht "fließend Englisch, Deutsch, Russisch", als Ministerin permanent rund um die Welt unterwegs, mit den Großen der Welt auf Du und Du, lautet die Botschaft.

Seit fünf Wochen ist sie auch eine der Vizepräsidentinnen in der Europäischen Volkspartei (EVP). Ein politisches Schwergewicht, sollte man annehmen. Beeindruckend - auf den ersten Blick - war auch der Lebenslauf, den sie den EU-Abgeordneten als designierte EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe vor der Anhörung Dienstag im Ausschuss vorlegte: Reifeprüfung mit 19, rasches Studium, Stipendiatin in Magdeburg und Bielefeld, vielfache Lehrtätigkeit an Universitäten, mit 26 Mitglied des Vorstandes im nationalen Investitionsfonds, Managerin in mehreren Privatisierungsunternehmen, von 2007 bis Mitte 2009 auch noch EU-Abgeordnete. Umso erstaunlicher war dann für die kritisch fragenden grünen, roten und liberalen Abgeordneten, aber auch manchen ihrer Parteifreunde, mit wie wenig Substanz sich Jeleva für ihr neues Amt präsentierte. Noch schlimmer: Nach Fragen zu ihren Finanzinteressen, warum sie eine Firmenbeteiligung, die eine mögliche Interessenskollision bedeutete, nicht gemeldet habe (was der EU-Kodex verlangt), verlor sie die Contenance: alles Gerüchte, alles falsch, alles geprüft - man solle sie zu Wichigerem befragen.

Seither wackelt ihr Posten. Präsident Barroso wird sie wohl zum Verzicht drängen müssen, werden die Vorwürfe nicht binnen Tagen ausgeräumt. Er braucht "saubere" Kommissare, innen und außen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2010)