Mehr als 700 Menschen leben im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Nun hofft die Stadtverwaltung einmal mehr auf die Schließung. Der Traum des Bürgermeisters: eine HTL wie in Mödling

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Traiskirchen - Nirgendwo in Österreich gibt es auf derart engem Raum so viele Asylwerber wie hier. Rund 700 leben derzeit im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Sehen kann man sie nicht.
Viele würden tagsüber nach Wien oder Baden fahren, heißt es. Auf dem Bahnsteig der Badner Bahn treffen sich tatsächlich ein paar wenige. Auf dem Hauptplatz oder im dort anschließenden Einkaufszentrum Arkadia bleiben die Einheimischen allein. Im Gegensatz zu früher sei die Verweildauer der Asylwerber auch kürzer, der Kontakt zur Bevölkerung daher gleich null, erklärt Bürgermeister Fritz Knotzer, denn: „Früher sind ihre Kinder mit den unsrigen in die Schule gegangen".

"Flüchtlingslager" nennt es die Bevölkerung

Dabei ist es vom Ortskern nur ein kurzer Weg. Links der Straße liegen Einfamilienhäuser, rechter Hand taucht dann die frühere k. u. k. Kadettenschule auf. Seit 1956 werden hier Flüchtlinge untergebracht. „Flüchtlingslager" nennt es die Bevölkerung, „Erstaufnahmezentrum" die Politik.

Die zirka 18.000 Einwohner zählende Stadt Traiskirchen ist längst zur Chiffre österreichischer Asylpolitik geworden. 1350 Meter Zaun und 48 Videokameras sorgen dafür, dass das Gelände von niemandem unbewacht verlassen wird. Die Kameras gibt es „nicht, weil wir einen gefängnisartigen Charakter haben wollen", erklärt Franz Schabhüttl, Leiter der „Betreuungsstelle Ost". Wer länger als 48 Stunden wegbleibt, wird „abgemeldet", von 22 Uhr bis 6 Uhr früh herrscht „Nachtruhe" im Lager. Bei ständigen Verstößen droht Taschengeldentzug - 40 Euro erhalten die Bewohner monatlich.

Schabhüttl betrachtet seinen Arbeitsplatz als „kleines Dorf", in dem die um Asyl Ansuchenden von der Verpflegung bis zur Wäscherei alles bekommen, was sie brauchen. Zu der ins Gespräch gekommenen „Aufenthaltspflicht" meint er, dass der „Schutz vor Verfolgung" im Erstaufnahmezentrum gegeben sei. Wenn jemand mit dieser „Insel" unzufrieden sei, dann müsse man sich fragen: „War der Wunsch nach Asyl ehrlich?"
Auf dem Gelände sind nur wenige Menschen unterwegs. Einer der Herumstehenden wendet sich an Amtsleiter Schabhüttl. Er sei durch eine Fingerabdrucküberprüfung „eigentlich Griechenland zugeordnet", erklärt er. Der Mann würde aber lieber in Österreich bleiben. Wie denn der Stand seines Verfahrens sei, will er wissen. Auf Schabhüttls Frage nach seinem Alter meint der Asylwerber: „17." Augenscheinlich ist er um einiges älter. Der Grund dafür ist simpel: minderjährige Asylwerber fallen unter das Jugendschutzgesetz desjenigen Bundeslandes, in dem sie sich aufhalten - wobei es seit 1. Jänner 2010 strengere Altersüberprüfungen gibt.


Auf dem weitläufigen Gelände passiert man zuerst das Haus, in dem die minderjährigen Jugendlichen untergebracht sind. Etwas weiter dahinter liegt ein niedriges Gebäude, in dem Kinder gerade malen. Hier ist der Kindergarten untergebracht. Auch draußen sind Kinder. Trotz der Kälte nützen sie den Spielplatz, der vor dem „Haus der Frauen" angesiedelt ist. Dort sind alleinreisende Frauen mit ihren Kindern untergebracht. „Männer haben in diesem Haus nichts verloren", sagt Schabhüttl. Dreh- und Angelpunkt ist der „Infopoint" von „European Homecare". Dort findet sich die „Transferliste", auf der täglich ausgehängt wird, wer das Glück hat, in ein Zentrum mit Grundversorgung überstellt zu werden - wer also offiziell „Asylwerber" ist und damit sein Verfahren in Österreich durchläuft.

Innerhalb des Zentrums werden als Problemfelder Schlägereien und Belästigung von Frauen genannt.
Von Letzterem berichtet auch Bürgermeister Knotzer. Immer wieder gebe es Vorfälle in der Badner Bahn. Mädchen werde empfohlen „immer in den Triebwagen einzusteigen". Dass das Image _seiner Stadt unter dem Lager _leidet, bestreitet Knotzer gar nicht, aber: „Wir müssen damit _leben", sagt der SPÖ-Politiker, der seit 25 Jahren im Amt ist. Dass er sich trotz des heiklen politischen Terrains so lange an der Macht gehalten hat, erklärt er simpel: „Ich habe die Traiskirchner immer über alles informiert."

Hohe Sicherheitsstandards - Polizei, Kameras, Schutzzonen -, billige Baugründe und eine ganztägige Betreuung von Kindern ab dem ersten Lebensjahr sorgen dafür, dass es „eher Zuzug" gibt - und eine positive Geburtenbilanz.

Knotzer denkt gerne an das Jahr 1999 zurück. Damals wäre der politische Traum des Traiskirchner Bürgermeisters fast in Erfüllung gegangen. Nur mehr wenige Asylwerber im ortseigenen Heim, die Hoffnung auf eine Schließung zum Greifen nahe. Eine HTL wie in Mödling könnte rein, so der Wunsch. Kaum war Schwarz-Blau an der Macht, Ernst Strasser als Innenminister installiert, war der Traum zerplatzt.

Jetzt, mehr als zehn Jahre später, hofft Knotzer wieder. Er will, dass es in allen Bundesländern kleinere Erstaufnahmezentren gibt. Ist ein Land säumig, sollte es Sanktionsmöglichkeiten geben. Wird der 65-Jährige im März als Bürgermeister wiedergewählt, bleiben fünf Jahre für die Verwirklichung seines politischen Ziels: Dann will er nämlich in Pension gehen. (Gerda Mackerle, Peter Mayr, DER STANDARD Printausgabe 14.1.2010)