Foto: XL Records / Edel

Das Problem mit hochgelobten Hipster-Bands ist oft ihre Halbwertszeit. Da geht beim Debüt noch die halbe kleine Welt vor Begeisterung in die Knie, doch wenn dann das Folgewerk erscheint, schläft den Hipster-Jägern bei bloßer Namensnennung schon das Gesicht ein. Hat so eine Band dann auch noch eine originäre Ästhetik geschaffen, die sie weiterspinnt, ohne spektakulär nachzulegen, spricht man im besten wie wohlwollendsten Fall von Verfeinerung. Ein Todesurteil, hübsch verpackt.

Die New Yorker Band Vampire Weekend wäre ein potenzieller Anwärter für so einen Verfeinerungsstrauß gewesen. Ihr vor zwei Jahren erschienenes Debüt charmierte mit zappeligem Gitarrengeschrammel und einer Breitseite afrikanischer Popmusik, die sich etwa beim nigerianischen Highlife und dessen Rhythmen bedient hatte. Das ergab mit den launigen bis nerdigen Texten von Ezra Koenig eine knappe, aber überzeugende Arbeit, die sich nicht nur in etlichen Jahresbestenlisten wiederfand, sondern auch entsprechend oft über die Ladentische ging; allein in den USA über eine halbe Million Mal. Krisenzeiten? Nicht bei Ezra Koenig, Rostam Batmanglij, Chris Tomson und Chris Baio, deren Attraktivität von einschlägigen Medienorganen wie Pitchfork beständig am Köcheln gehalten wurde und wird.

Nun ist das Folgewerk des titellosen Debüts erschienen. Mit Contra rang man sich auch einen vielsagenden Titel ab - und ist noch besser als beim Einstand.

Das auffallendste Merkmal: Contra ist fetter produziert. Entsprach der Vorgänger soundmäßig noch dem leptosomen Äußeren des Quartetts, ist man nun zumindest ins Mittelgewicht aufgestiegen. Stellenweise klingen die vier Middle-Class-Typen immer noch wie die britische Band Libertines mit Hirn, aber das liegt unter anderem am Spiel Koenigs mit verschiedenen Idiomen. Eine erste diesbezügliche Überzeugungsarbeit leistet der Opener Horchata, der einen Hauch Calypso verbreitet, während eine filigrane Perkussion die Leichtfüßigkeit der Band transportiert, die von einer durchmarschierenden Basstrommel geerdet wird. Slow House mit Gesang.

Der behutsame Einsatz von Elektronik ist das zweite, mit dem erstgenannten Hand in Hand gehende Änderungsmerkmal. In Summe ergibt das einen zarten Expressionismus, bei dem man sich oft nicht sicher ist, ob die Musik diesen Begriff schon verdient. Ungeachtet dieser in jedem halbwegs wichtigen Club in den nächsten Wochen zu diskutierenden Fragen besticht Contra mit einigen herrlichen Popsongs wie Holiday, der frappant an ein Stück von Break Up erinnert, jenem Album, das Scarlett Johansson zuletzt mit Pete Yorn eingespielt hat.

Gedacht ist Contra im klassischen LP-Format, das prägnante Stücke an wohlüberlegte Stellen setzt und gegen Ende mit Diplomat's Son und I Think Ur A Contra Stücke platziert, die seine Neuerungen festigen. Mit angetäuschten Reggae-Charakteristika ebenso wie mit verschwörerischen Lyrics, die in einschlägigen Foren bereits psychoanalysiert werden. Ungeachtet der daraus zu schließenden Ergebnisse ist Contra ein raffiniertes Popalbum geworden, sexy und möglicherweise tatsächlich intelligent. (Karl Fluch / DERE STANDARD, Printausgabe, 15.1.2010)