Von der Straf- in die Schubhaft in den Polizeianhaltezentren zu kommen ist die Regel. Warum jener Mann, der einen Polizisten angeschossen hatte, untertauchen konnte, ist daher eine offene Frage.

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Wien - Der gesuchte Serbe, der am Dienstag in Wien einen 27-jährigen Polizisten angeschossen haben soll, ist bereits vor über einer Woche der Polizei in Niederösterreich durch die Lappen gegangen. Am 4. Jänner war der Gesuchte in Tulbing (Bezirk Tulln) von zwei Beamten überprüft und aufgrund seines Aufenthaltsverbotes festgenommen worden, sagte die Tullner Polizeikommandantin, Major Sonja Fiegl, Donnerstagabend.

Der Flüchtige war laut Kronen Zeitung damals mit zwei weiteren Männern verdächtig in der Nähe des Tulbinger Postamtes aufgefallen. Die Männer wurden überprüft, der 33-Jährige aufgrund seines Aufenthaltsverbotes festgenommen. „Er wurde auf die Polizeiinspektion in Königstetten gebracht, wo er in einem unbeobachteten Moment geflüchtet ist", sagte Fiegl. Die Beamten seien dem Verdächtigen nachgerannt, selbst sechs Warnschüsse der Polizisten konnten ihn nicht von seiner Flucht abhalten.

Konsequenzen für die Beamten soll es keine geben, aber: „Wir werden uns die Ursachen genau ansehen", sagte Fiegl.

Diskussionen gibt es auch über die Tatsache, dass der Verdächtige, der am Dienstag auf der Flucht einen 27-jährigen Polizisten lebensgefährlich niedergeschossen hat, sich illegal in Österreich aufgehalten hat. Denn der Mann war nach einer verbüßten Strafhaft offenbar nicht in seine Heimat Serbien abgeschoben worden, sondern untergetaucht.

Zuständig für den Fall ist die Bundespolizeidirektion Sankt Pölten, dort verweist man allerdings auf die Wiener Exekutive. Das fremdenpolizeiliche Büro in der Bundeshauptstadt hat mittlerweile den betreffenden Akt angefordert, um mögliche Hinweise auf das Versteck des Gesuchten zu finden, sagt Stefan Stortecky, der Vorstand des Büros, im Standard-Gespräch. Nicht immer werden Entlassene, über die ein Aufenthaltsverbot verhängt worden ist, auch außer Landes gebracht.
Liegt es an Kommunikationsproblemen zwischen Polizei und Justiz? "Das ist an sich kein großes Problem", erläutert Stortecky. Grundsätzlich werde in solchen Fällen auch die Schubhaft verhängt und der Betroffene von der Strafhaft direkt ins Polizeianhaltezentrum überstellt.

"Allerdings ist es so, dass die Höchstgerichte und Unabhängigen Verwaltungssenate in der Vergangenheit in mehreren Entscheidungen klargestellt haben, dass die Schubhaft nur das letzte Mittel sein darf." Die Folge sei, dass stattdessen beispielsweise auch Meldeauflagen erteilt werden - "der Betroffene muss sich dann zweimal in der Woche bei einer Polizeiinspektion melden. Es gibt daher keine Automatisierung."

Im Justizministerium sagt Sprecher Paul Hefelle, dass es zu dieser Thematik bereits einmal ein hochrangiges Treffen zwischen seinem Haus und dem Innenressort gegeben habe. Normalerweise werde bei „Personen unbekannten Aufenthaltsstatus" bereits vor der Entlassung die Fremdenpolizei informiert. „Das kann aber natürlich manchmal knapp werden." Denn im Normalfall funktioniert das über Papierformulare auf dem Amtsweg, was eben seine Zeit dauert.
Zahlen, in wie vielen Fällen jemand direkt von der Straf- in die Schubhaft kommt, liegen im Justizministerium nicht vor. (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 15. Jänner 2010)