Wien - Und jetzt das ganze noch einmal von vorn: Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter hält seinen Anklagevortrag mit Charts und hochkomplizierten Schautafeln, der Angeklagte beteuert, dass er Opfer einer "Inszenierung" sei - und dann dürfen alle schon einmal im Wiener Straflandesgericht befragten Zeugen noch einmal aussagen. Wegen der schweren Erkrankung des bisherigen Senatsvorsitzes muss der an sich schon weit fortgeschrittene "Spionageprozess" vollkommen neu aufgerollt werden.

Kronawetter beschuldigt den 61-jährigen kasachischen Geschäftsmann Ildar A., eine versuchte Entführung des ehemaligen Geheimdienstchefs Kasachstans in Wien organisiert zu haben. Die Zielperson Alnur Mussajew ist der frühere Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB und gilt als enger Vertrauter des früheren kasachischen Botschafters in Wien, Rakhat Alijew.

Alijew, der frühere Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten, der nach angeblichen Plänen einer Machtübernahme in Ungnade gefallen war - und dem sie nach dem Verschwinden zweier Banker in Abwesenheit in Kasachstan den Prozess gemacht und zu zweimal 20 Jahren Haft verurteilt hatten. Österreich hatte die von Kasachstan beantragte Auslieferung Alijews abgelehnt - mit der Begründung, dass kein faires Verfahren zu erwarten sei.

Danach sei es zu einer erhöhten geheimdienstlichen Tätigkeit in Österreich gekommen, erläutert der Staatsanwalt dem Wiener Geschworenengericht. Ziel sei es gewesen, Alijew und seine Vertrauten eben auf andere Weise in ihr Heimatland zu bringen.

Am 17. 7. 2008 war es dann in einer kleinen Gasse genau gegenüber dem Wiener Straflandesgericht zu einem Vorfall gekommen. Der Ex-Geheimdienstler Mussajew war auf dem Weg zu seinem Auto von einem Mann auf Russisch angesprochen worden: Der kasachische Präsident lade ihn ein, nach Hause zu kommen. Mussajew weigerte sich, in ein bereitstehendes dunkles Auto einzusteigen. Als er von zwei weiteren Männern bedrängt wurde, alarmierte er seinen Chauffeur.

Da hatte der irritierte Unbekannte seinen "Vorgesetzten" angerufen, danach war noch per Handy verhandelt worden - und Mussajew marschierte davon.

Die Wertkarte des Handys dieser "Tätergruppe" war aber mit einer Kundenkarte von Ildar A.s Frau gekauft worden. Der Angeklagte hatte vor und während des Tatzeitraumes mit genau diesem Handy telefoniert. Mehr als 500- mal, wie die Rufdatenrückerfassung zeigte. Und: Das Handy war tagelang im Bereich eines verlassenen Hauses in Klosterneuburg eingeloggt - das Ildar A. gehört.

Ildar A. hatte zuvor auch über einen bekannten Polizisten und einen Detektiv versucht, die Adresse von Alijew, Mussajew und weiteren "begehrten" Kasachen herauszufinden. Den Kontakt zu dem Detektiv hatte übrigens der frühere SP-Politiker Anton Gaal hergestellt, ein Nachbar von Ildar A.

Der Angeklagte sagt, man habe versucht, ihn hereinzulegen, weil er versucht hatte, "Mörder und Verbrecher" aufzuspüren. Bei den vielen Telefonaten sei es nur um den geplanten Kauf eines Autos gegangen.

Nach der neuerlichen Zeugenbefragung wird das Urteil für kommenden Montag erwartet. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 15. Jänner 2010)