Imagepflege à la André Charles Boulle um 1720-1730: Entwürfe, die er als Kupferstiche veröffentlichen ließ.

Foto: Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt

Sockel mit ziselierter und vergoldeter Bronze, Marketerie aus Messing auf Schildplattgrund aus einer Privatsammlung (um 1690 - 1700)

Foto: Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt

André Charles Boulle (1642-1732) bleibt der berühmteste Kunsttischler aller Zeiten, bürstet Nicolas Sarkozy in seinem präsidialen Katalog-Grußwort allfällige andere Theorien der Kunstgeschichte vom Tisch. Nicht weniger als acht Jahre arbeitete ein Kuratorenteam an der ersten Retrospektive zum Œuvre des Hofebenisten im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst (bis 31. Jänner).

44 Leihgeber, u.a. aus Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA stellten rund 150 Möbel, Bronzen, kunsthandwerkliche Objekte sowie Gemälde und Entwurfszeichnungen zur Verfügung, die einen Einblick in die Einrichtungskultur unter der Regentschaft Louis XIV gewähren. Die den barocken Repräsentationsstil perfekt verkörpernde Marketerie-Technik, bei der Muster innerhalb einer Furnier wie ein Puzzlespiel zusammengefügt und auf Holz geleimt wurden, hatte sich über italienische, holländische und deutsche Immigranten in Frankreich etabliert.

André Charles verfeinerte die nach ihm benannte Boulle-Marketerie virtuos. Der Unterschied zur herkömmlichen Technik liegt dabei in den verwendeten Materialien, etwa Elfenbein, Schildpatt und Metalle wie Zinn oder Silber, die mit Edelhölzern kombiniert und vergoldeten Bronzeapplikationen verziert wurden.

Dieser Pracht widerstand auch der europäische Adel nicht und verschuldete sich zum Teil immens, schon weil ausgeklügelte Finanzierungsmodelle den Export forcierten. Nicht ohne Folgen: Der internationalen Begeisterung für diese luxuriöse Tischlerkunst sollte sich später Maria Theresia widersetzen. Sie belegte französische Möbel kurzerhand mit einem Einfuhrverbot. Die Wiener Ebenisten wären ja nicht minder talentiert, wie demnächst auch zwei Schränke im Liechtenstein Museum ("Der Fürst als Sammler" , ab 12. Februar) präsentierte Möbel dokumentieren werden.

Bis in die Gegenwart gilt es insofern zwischen originalen, von André Charles Boulle entworfenen und in seiner Werkstatt ausgeführten Objekten sowie solchen, die sich an der nach ihm benannten Technik oder an charakteristischen Stilmerkmalen orientierten, zu unterscheiden. Eine Differenz, die auf dem internationalen Kunstmarkt bis heute preisbestimmend ist.

Das jüngste Beispiel: Im Juni 2009 bewilligte ein Bieter aus Katar für einen bei Koller in Zürich angebotenen Schreibtisch mit Boulle-Marketerie vergleichsweise schon stolze 72.400 Euro. In der gleichen Auktion wechselte zudem eine originale, in der Zeit nach 1723 ausgeführte und restaurierte Boulle-Kommode für 640.000 Euro den Besitzer.

Wirklich teuer sind Boulle-Solitäre, die zwischen 1680 und 1710 ausgeführt wurden. 1994 reichte etwa Sotheby's über New York ein Schreibtischmöbel mit angebautem Schrank - eine Extraanfertigung für den 1750 verstorbenen Polizeipräsidenten Louis de Machault - für zwei Millionen Dollar weiter. Gegenwärtig würde ein Objekt dieser Provenienz und Machart um die fünf Millionen bringen. Zum Vergleich: 2005 versteigerte Christie's ein um 1710 ausgeführtes simples "buero plât" via London für umgerechnet 4,3 Millionen Euro (2,92 Mio Pfund).

Obwohl Boulles mobile Meisterwerke seit je als Raritäten gelten, sind auch sie von laueren Marktwinden betroffen. Im Juli 2009 holte sich das Amsterdamer Rijksmuseum bei Christie's ein seltenes Konsolentruhen-Paar zum Limit von drei Millionen Euro, während sich die Briten als traditionell stärkste Sammlernation seit dem 19. Jh. in Zurückhaltung übten. Schätzungen zufolge dürften sich drei Viertel des Bestands an originalen Boulle-Möbeln und vergoldeten Bronzen in englischen Haushalten befinden. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 16./17.01.2010)