Bis vor einer Woche hätte in Sofia niemand daran gezweifelt, dass die bulgarische EU-Kommissarin Rumjana Jeleva heißen wird. Immerhin ist sie Vize-Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) und derzeit Außenministerin. Doch nach ihrer Anhörung vor dem Europaparlament ist Jelevas Wahl fraglich. Sie musste sich Vorwürfe über unwahre Angaben in ihrem Lebenslauf gefallen lassen, Gerüchte über Mafia-Verbindungen ihres Mannes tauchten auf. Und Jelevas Antworten zum künftigen Fachgebiet "Humanitäre Hilfe" ließen Zweifel an ihrer Kompetenz aufkommen.

Die erste Reaktion von Premier Bojko Borrisov von der regierenden Partei Gerb fiel zunächst angriffslustig aus. Jeleva sei Opfer eines politischen Komplotts der bulgarischen Opposition geworden, sagte er. Einen Tag später räumte er bereits ihre "schwache Leistung" ein. Nun will Borissov die juristische Prüfung des EU-Parlaments über Jelevas Angaben abwarten. Zwar bedaure er ihre Nominierung nicht, habe aber einen Plan B, sollte Jeleva als EU-Kommissarin abgelehnt werden.

Trauriges Ereignis

Ex-Premier und Sozialistenchef Sergej Stanischev bezeichnete Jelevas Anhörung als "trauriges Ereignis" , das für ihn keine Überraschung sei, da sie auch als Außenministerin einen schlechten Eindruck hinterlassen habe. Die Vorstellung sei "auch eine gelbe Karte für den Regierungschef in Sofia, weil er sie nominiert hat" , so Stanischev.

Schadenfreude war auch von Jelevas Vorgänger im Außenministerium, Ivajlo Kalfin, einem Sozialdemokraten zu hören. Er forderte sie gleich auf, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Genau das könnte ein möglicher Ausweg sein. Jeleva könnte auf den Posten der Entwicklungshilfekommissarin verzichten und zugleich als Außenministerin zurücktreten.

In der Presse kursieren Spekulationen über mögliche Alternativkandidaten für Brüssel. Verteidigungsminister Nikolaj Mladenov, der zwei Jahre für die EVP im EU-Parlament saß, gilt als Kandidat, trotz seines offiziellen Dementis. Für die Gerb wäre es aber riskant, gleich zwei Schlüsselminister zu verlieren. Daher gehören auch der konservative Europaabgeordnete Andrej Kovatschev, die Regierungsbeauftragte für EU-Subventionen Juliana Nikolova und der Karrierediplomat Stefan Tafrov zur engeren Auswahl des Regierungschefs. Wie und wer auch immer - der Imageschaden für Bulgarien ist bereits da. (Vessela Vladkova aus Sofia, DER STANDARD, Printausgbae 18.1.2010)