Auf der Wiener Höhenstraße rumpelt es gehörig: Die Prestigestraße aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist dringend sanierungsbedürftig. An der Frage, wie sie künftig aussehen soll,
scheiden sich aber die Geister

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Wien - Kurz nach Grinzing wird es laut im 38A. Sobald der Bus die Station Wagenwiese Richtung Kobenzl verlässt, rüttelt und schüttelt es Mütter und Kinder, Jogger, alte Damen und Hunde kräftig durch: Dort endet der Asphalt und die Wiener Höhenstraße beginnt. Das historische Pflaster hat im Laufe der Jahre Lücken bekommen. An vielen Stellen fehlen Steine, Löcher sind notdürftig mit Asphaltklecksen ausgebessert. Wenn es regnet, bilden sich Pfützen. Fällt Laub oder Schnee, ist das Pflaster glatt wie Eis.

"Ich stelle mich persönlich mit einem Schild und rotweißem Band hin und sperre die Höhenstraße ab, wenn sie nicht mehr verkehrssicher ist", sagt Adolf Tiller, 71, und VP-Bezirksvorsteher von Döbling. Der Großteil der Straße liegt in seinem Bezirk. Das Pflaster zu renovieren kann er sich nicht leisten: 20 Millionen Euro, meint Tiller, würde das kosten, wenn er die Auflagen des Denkmalamtes erfüllen muss.

Bis ersten Jänner stand die Straße unter Denkmalschutz - so wie alle Gebäude in öffentlichem Besitz. Nun ist dieser automatische Schutz ausgelaufen und das Denkmalamt bemüht sich um einen neuen. Die Stadt Wien will das aber nicht: Sie will die Höhenstraße asphaltieren.

Gebaut wurde die Straße zwischen 1934 und 1938. Das austrofaschistische Regime unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ließ Millionen kleiner Pflastersteine durch den Wienerwald verlegen - ein 14,9 Kilometer langes Mosaik von Neustift über den Dreimarkstein, den Kobenzl und Kahlenberg bis auf den Leopoldsberg. Bis heute ist die Höhenstraße Wiens längste Straße.

Für die Erbauer war sie ein Prestigeprojekt: Hoch über Wien sollte die Aussicht auf ein selbstständiges Österreich inszeniert werden - die Großglockner Hochalpenstraße der Hauptstadt. Eine Straße nur für Autos, in einer Zeit, in der es kaum Autos gab, kündete vom Glauben an die Zukunft und die Technik. Als 1935 das erste Teilstück von Grinzing auf den Kahlenberg eröffnet wurde, kamen 3500 "Automobilisten" - mehr als ein Drittel aller Wiener Autobesitzer. 100.000 kamen zu Fuß, trotz Gehverbot auf der Fahrbahn. Heute fahren an schönen Wochenenden 5000 Autos durch den Wald.

Renovierung: 8,6 Millionen

"Ein Verkehrsbauwerk von internationalem Rang" nennt Richard Wittasek vom Denkmalamt die Höhenstraße. Das Amt will sie mit all ihren Steinen, Brücken, Begrenzungspfeilern, Sechskantleuchten und Entwässerungssystemen zum Denkmal erklären. Im Jänner wurde der Stadt ein entsprechendes Gutachten vorgestellt. Darin schätzt das Denkmalamt die Kosten für die Renovierung auf 8,6 Millionen Euro.

Stadt will keine Konservierung des jetzigen Zustandes

Doch die Stadt will davon nichts wissen. "Wir wollen keine Konservierung des jetzigen Zustandes", meint Wolfgang Ablinger von der MA 28, zuständig für Straßenbau. Die Stadt wolle die Straße asphaltieren und nur einen Abschnitt als "musealen Teil" belassen. "Wir halten sie aber in einem verkehrssicheren Zustand, bis eine Entscheidung fällt", meint Ablinger. Das ist für Erika Mayer überlebenswichtig. "Wenn die Höhenstraße gesperrt wird, kann ich mir eine Existenz nicht vorstellen", sagt sie. "Das ist, wie wenn sie die Ringstraße sperren."

Die Höhenstraße ist ein Stiefkind der Stadt Wien

1960 wurde sie an der Höhenstraße geboren, im "Häuserl am Roan", dem Gasthaus ihrer Eltern am Dreimarkstein. Seit den 80ern führt sie den Betrieb. "Die Höhenstraße ist ein Stiefkind der Stadt Wien", meint Frau Mayer. Dass sie verfällt, wundert sie nicht. "Wenn ich 40 Jahre nichts tue, muss mich mich nicht wundern, wenn mir irgendwann das Dach auf den Kopf fliegt." Früher hat sie ganzjährig acht Kellner beschäftigt, jetzt hat sie im Winter nur noch einen. Die Busse, die einst täglich hier fuhren, fahren jetzt nur mehr am Wochenende. "Dabei müsste man die Straße nur herrichten. Welche Stadt hat so was schon?" (Tobias Müller, DER STANDARD Printausgabe 18.1.2010)