Oxonitsch, Brauner, Hundstorfer: Der Arbeitsmarkt ist Chefsache in der Wiener SPÖ, aber der Bürgermeister "kann sich nicht dreiteilen".

Foto: Johannes Toifl, AMS

Celim, 18 Jahre, schwer vermittelbar: 30 Bewerbungen, positive Antworten - noch keine.

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Wien - Die Burschen in den engen, schwarzen Jacken knacken sich gerade eine Red-Bull-Dose auf. Die Schiebetür des AMS am Wiener Gürtel geht hinter ihnen zu. Autos donnern in drei Spuren vorbei. Die müssen alle dringend wohin. Yunus, 17, hatte es schon lange nicht eilig. "Scheiße, noch immer arbeitslos", sagt der Wiener mit dem türkischen Namen. Die Ausbildung als Maschinenbauer hat er abgebrochen.

Sein Freund Mehmet, 19, hat gar keine Ausbildung, dafür Schulden. Eben hat er beim AMS einen "Vorschuss" beantragt. Geld gebe es aber nur für Gas und Heizung. Mehmet blieb die Handyrechnung schuldig. "Der Arbeitsmarkt, die Firmen - alles ist unfair", jammert Mehmet, und Yunus stimmt überein. Weltschmerz bei Red Bull, an einem feuchtkalten Morgen in Wien. Für Yunus und Mehmet ist es ein Tag wie jeder andere.

Das Krisenjahr wird mit Sekt begrüßt

Dabei finden sich im selben Gebäude gerade die Spitzen der Wiener Politik zusammen, um dem nächsten Krisenjahr mit einem Sektempfang zu trotzen. Gefeiert wird die Eröffnung des neuen AMS-Stützpunktes für Jugendliche am Gumpendorfer Gürtel, dort wo der sechste Wiener Gemeindebezirk kein bisschen charmant wirkt. Der alte Standort in der Wiener Neubaugasse war zu eng geworden. Seit zwei Monaten ist man hier, "im alten Haus arbeiteten wir zu viert an einem Zweier-Pult, Ellbogen an Ellbogen", erzählt Renate Glonig, eine der 100 Mitarbeiterinnen im Jugend-AMS. "Das Haus mussten wir uns auch mit der Maturaschule Roland teilen, und deren Kunden hatten ein ganz anderes Niveau." Frau Glonig meint damit: ein höheres.

Rund 12.500 Jugendliche bis 21 Jahre sind derzeit beim Jugend-AMS in Wien gemeldet. Knapp die Hälfte absolviert Ausbildungen, die anderen suchen nach Arbeit oder einer Lehrstelle. Zwei Drittel aller Gemeldeten haben Migrationshintergrund.

Der Bürgermeister lässt sich entschuldigen

Während bei den arbeitslosen Jugendlichen oben am Schalter der Energy Drink das bevorzugte Gebräu ist, wird unten Prosecco mit Fruchtmark gereicht: Eröffnungsfeier im schon vor zwei Monaten bezogenen AMS-Haus. Gekommen ist die erste Reihe der Wiener SPÖ: Vizebürgermeisterin Renate Brauner und Jugend-Stadtrat Christian Oxonitsch. Nur Stadtoberhaupt Michael Häupl ließ sich überraschend entschuldigen. Brauner: "Der Bürgermeister wäre gern gekommen, aber wir müssen uns von den Terminen her alle dreiteilen." Dafür demonstriert Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wortreich den Elan der Bundesregierung.

Und doch beeilen sich die Politiker in ihren Reden, keine unangemessene Feierstimmung zu verbreiten. Hundstorfer schwört die AMS-Mitarbeiter auf ein hartes Jahr ein, denn der Arbeitsmarkt erhole sich nur schleppend. Er wisse, sagt er den Beratern am Schalter, "dass Sie Jugendliche empfangen müssen, die nicht ganz lustig dreinschauen in der Früh".

Jugendliche, die auf den Zivildienst hoffen müssen

Stadträtin Brauner meint, man könne im Wiener Kampf um Arbeitsplätze "stolz, aber nicht zufrieden" auf 2009 zurückschauen. Es dürfe möglichst kein Jugendlicher auf der Strecke bleiben. "Wir wollen nicht sagen: Ihr seid nicht stark, nicht schnell, nicht schön genug."

Einen Stock höher steht Celim am Schalter und war wieder mal nicht stark genug für den Wiener Arbeitsmarkt. 30 Bewerbungen hat der 18-Jährige schon verfasst. Positive Antworten: null. Die Ausbildung zum Maler hat er einst abgebrochen, nun hofft er auf eine Lehrstelle als Bautechniker. Sollte es wieder nichts werden, "mache ich halt Zivildienst", sagt Celim, der es aus Geldnot auch schon mit Pferdewetten und Hunderennen versucht hat. "Ich bin ein Glücksspieler", sagt er. Seine Jacke ist von "Diesel", die Schuhe Marke "Hugo Boss". "Eigentlich brauch' ich das AMS eh nicht", meint er trotzig.

Die AMS-Berater begleitet der Frust ihrer Kunden

Wieder unten, bei Sekt und Brötchen, bestätigt Manfred Heinisch, dass die Begegnung mit frustrierten Jugendlichen zum Alltag der AMS-Berater gehört. "Es gibt Erwartungshaltungen, und wenn jemand schon 50 Bewertungen hinter sich hat, dann hat er weniger Frust, wenn es nicht gleich klappt", erklärt der stellvertretende Leiter des Jugend-AMS. Es komme auch vor, dass die Erwartung von Eltern und Jugendlichen auseinanderklaffe. Oft seien die Kinder mit einem Job ganz glücklich, die Eltern wünschen sich aber mehr.

Etwas ist Heinisch aber wichtig: "Auch wenn abgebrochene Schul- und Berufsausbildungen unser täglicher Job sind: Irgendwas hat jeder." Und deswegen könne das AMS im Grunde auch jedem irgendetwas anbieten, oft seien eben noch ein weiterer Ausbildungsschritt, eine spezielle Qualifikation nötig.

"Manche kommen mit Kampfhund"

Die verschiedenen Phasen der Arbeitslosigkeit spiegeln sich in den sieben Etagen des Neubaus am Gürtel wider: Wer länger als drei Monate arbeitslos ist, kommt in die Beratungszonen 1 und 2. Wer kürzer nach Arbeit sucht, geht noch einmal höher in den Service-Bereich. Durch das AMS-Haus geistert ein Security, "wir hatten schon ein paar Mal Trouble mit den Migrationshintergründen", drückt es eine AMS-Mitarbeiterin politisch korrekt aus. "Manche kommen mit Kampfhund, oder es wird die Freundin angebaggert." In einem Warteraum gibt es sogar Tischfußball. "Wuzzeln ist gut", sagt die Mitarbeiterin, "das baut die Aggressionen ab."

Aggressiv sind Yunus und Mehmet an diesem Morgen nicht, eher mutlos. Griesgrämig schlendern sie zur U-Bahn-Station und verschwinden bald im Grau der Großstadt. "Nächste Woche", sagt Yunus, "komme ich wieder." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 18.1.2010)