Wien - Auch so - nämlich sehr gut - kann es einem Rundfunkorchester gehen: Jenes des Bayerischen Rundfunks hat nach wie vor Weltgeltung und leistet sich mit Mariss Jansons einen der besten Dirigenten der Gegenwart als Chef. Zudem: Da die CD-Zeiten schwierig geworden sind, schmollt man nicht, sondern gründet mit BR-Klassik gleich ein eigenes Label, um die geleistete Arbeit zu dokumentieren. Zumindest für drei Jahre ist das Projekt ausfinanziert; dann schaut man weiter.

Das Label-Projekt macht in jedem Fall Sinn. Es verbreitet die Marke Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks global, hält sie im Gespräch. Wobei: Auch die gebotene künstlerische Qualität der Aufnahmen kann als Legitimation dafür gelten, die Klangereignisse festzuhalten, die Jansons modelliert. Ein Dirigent übrigens, der in München gleich auch um die Errichtung einer neuen Konzerthalle kämpft.

Es mag ihm dabei die Akustik des Wiener Musikvereins vorschweben. Jedenfalls merkt man, dass der lettische Präzisionsmusiker, der vor einem Monat mit seinem zweiten Klangkörper, dem Amsterdamer Concertgebouw Orchestra, zugegen war, den Saal genießt und kennt - es herrschte bei beiden bayerischen Konzerten jederzeit Transparenz und Ausgewogenheit. Beides kann - wie beim 3. Klavierkonzert von Prokofjew - dem Perkussiven, Kantigen und Schaurigen dienen, dem Pianist Lang Lang nebst kollegialer Virtuosität auch etwas Parfümiert-Poetisches entgegenstellte. Beides kann indes auch zur Entfaltung opulent-dunkler Schönheit beitragen, wie etwa bei der 3.Symphonie von Brahms. Der 3. Satz - vor allem - hatte ein einzigartiges Ausmaß an Leichtigkeit und Poesie.

Glühende Streicher

Wenn man Jansons etwas vorwerfen möchte, dann seine Überkonzentration auf das Weiche und Schwebende, das im 1. Satz doch zu einer gewissen Behäbigkeit führte. Insbesondere in Momenten, da die Dynamik extrem zum Leisen hin gedrosselt wird, ist plötzlich die Spannung dahin. Das erstaunt. Denn das Orchester ist an exponierten Stellen zu glühender Streicherintensität fähig, wie es auch bei Lutoslawskis Konzert für Orchester demonstrierte.

Es scheint die Lust am Ausgewogenen mitunter ein ästhetisches Korsett zu sein, das orchestrale Kräfte einengt. Auch bei Tschaikowskys Fünfter wurde dies - natürlich schönklanglich - hörbar. Großer Applaus. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe 19.01.2010)