Planen 24 Stunden voll fernsehtaugliche Web-Nachrichten: Waltraud Langer (li. mit "ZiB 20"-Mann Roman Rafreider) ...

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... und TV-Chefredakteur Karl Amon.

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Das Moderatoren-Team der "ZiB 20": Roman Rafreider, Lisa Gadenstätter und Matthias Euba.

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TV-Chefredakteur Karl Amon will "übers Internet den Nachrichtenmarkt aufrollen". Die Infochefin von ORF 1, Waltraud Langer, betont: "Jung ist nicht dumm." Harald Fidler fragte sie zur 1000. Folge der "ZiB 20".

STANDARD: Anfang voriger Woche freute sich der ORF öffentlich, dass Dominic Heinzls „Chili"-Doppel die Quoten der „ZiB 20" hebt. Gilt das noch?

Langer: Wer hat Dominic Heinzl in einen so klaren Kontext mit der ZiB 20 gebracht?

STANDARD: Der ORF-Kommunikationschef: Die „ZiB 20" profitiere von der damals gerade gestarteten neuen Societyschiene.

Amon: Prinzipiell: Die ZiB 20 ist bisher ja der Publikumsbringer in der Zeitzone. Es wäre wünschenswert, wenn sich der Vorlauf in ORF 1 so erholen oder stabilisieren würde. Damit könnten die folgenden Sendungen auf höherem Niveau starten. Aber es ist viel zu früh zu sagen, ob dieser Plan erfolgreich ist oder nicht. Den Anfang bestimmt die Neugier des Publikums, das haben auch wir erlebt. Es wäre ein Wunder, wenn die Neugier auch am zweiten oder dritten Tag halten würde. Ich treffe erstmals Aussagen dazu nach einem Vierteljahr.

STANDARD: Die Freude über den Neuzugang ist im ORF insgesamt geschwunden. Wie groß ist sie derzeit bei Ihnen?

Langer: Wir machen unsere Nachrichtensendung nicht anders als vorher. Die ZiB 20 bleibt die ZiB 20, egal welche Sendung vorher oder nachher läuft. Aber natürlich wünschen wir uns ein Umfeld, das gut funktioniert. Ich glaube, man muss Dominic Heinzl ein paar Monate Zeit geben.

STANDARD: Freitag läuft die "ZiB 20" zum tausendsten Mal. Braucht man eigentlich für jüngere Zuschauer eigene Nachrichten?

Amon: Ja. Die Wirkungsforschung sagt klar: Jede Altersgruppe hat spezifische Konsumgewohnheiten. Jüngere Leute haben eine Vorliebe für kürzere, prägnante, vielleicht auch frechere und keckere Information. Und Menschen von 40 aufwärts haben vielleicht mehr Zeit, mehr Interesse für mehr Hintergrund, längere Beiträge, etwas analytischere Sendungen. Jung heißt eher kurz, erfahren heißt eher ausführlich.

Langer: Jung heißt nicht dumm. Das wäre ein klassisches Missverständnis. Junge Menschen sind ein ernsthaftes Publikum, wir bieten ihnen ernsthafte Nachrichten.

STANDARD: Das heißt: Junge Menschen haben kein Interesse an Informationstiefe – die ja tendenziell Zeit braucht?

Amon: Die Interpretation ist falsch. Auch kürzere Formate können viel Analytisches und viel Tiefe bieten. Die Forschung zeigt: Die Mehrheit will erstklassige Information, aber nach fünf Minuten fällt das Interesse ab.

Langer: Man darf nicht vergessen: Junge Leute schauen sich ja genauso die ZiB 1 oder ZiB2 an. Aber die Zuschauer der ZiB 20 sind sehr jung. Sie bekommen bei uns halt die stärksten Themen, die besten Bilder plus knappe Analysen, in sehr komprimierter Form.

Amon: Nehmen Sie das Radio: Längere Nachrichtenformate sind beim älteren Publikum.

STANDARD: Deshalb sind die Ö1-Hörer ja jetzt traurig über die Kürzung ihrer Nachrichten um zwei Minuten. Was unterscheidet die „ZiB 20" zum Beispiel von den Österreich-Nachrichten von ProSieben?

Langer: Wir haben Korrespondenten, haben Analysen, Fachredaktionen.

STANDARD: Würden Sie sich Ihrem Generaldirektor anschließen, der das Konkurrenzformat gerade als "Pseudo-Nachrichten" bezeichnet hat?

Langer: Ich kommentiere Mitbewerber überhaupt nicht.

Amon: Für diese geringen Mittel leisten die privaten Mitbewerber oft Fantastisches. Aber wenn du beschränkte Geldmittel zur Verfügung hast, kannst du dich eben nicht so bewegen.

STANDARD: Haben Sie ein Vorbild?

Langer: Überhaupt nicht. Es gibt eine Sendung, wie wir sie machen, sonst nicht. Ich kenne jedenfalls keine. Viele Stationen fragen sich: Wie gehe ich das Thema junges Publikum an. Nehmen wir ZDF Neo mit einem Marktanteil von 0,1 Prozent. Weil sie auch versuchen, das junge Publikum zu gewinnen. Wir haben schon ein ORF 1, mit dem wir ein jüngeres Publikum erreichen.

STANDARD: Das ZDF versucht, das ORF-Modell nachzubauen.

Langer: Sie waren sehr interessiert, was wir so machen.

STANDARD: 1000 Sendungen, die Marktanteile tendieren nach oben...

Amon: ... was nicht alltäglich ist. Auch international im Vergleich von Nachrichtenformaten.

STANDARD: ...das heißt, die "ZiB 20" ist nicht mehr zu verbessern.

Langer: Das stimmt natürlich nie. Aber wenn Sie sich anschauen, was wir am Anfang gemacht haben, ist das kein Vergleich.

STANDARD: Helfen Sie meinem Gedächtnis: Was haben Sie denn gemacht?

Langer: Wir hatten winzigste Elemente in der Sendung und mussten feststellen: Was wir da machen, ist nicht mehr wirklich verständlich. Jetzt sind alle Beiträge länger. Wir haben inzwischen für sechs Minuten eine große Gelassenheit entwickelt. Die Sendung hat sich gefunden.

Amon: Waltraud Langer ist nicht zufällig auch die Chefin des Internetbereichs. Natürlich bietet sich da die "ZiB 20" an für die Verknüpfung mit diesem neuen Bereich.

STANDARD: Das heißt, eine permanente Web-Ausgabe der "ZiB" – womöglich angelehnt an die "ZiB 20".

Amon: Das ist ein Plan. Siehe 100-Sekunden-Nachrichtensendungen ausländischer Kanäle. Der gesamte Nachrichtenbereich entwickelt sich übers Internet. Wir werden 24 Stunden Internetnachrichten machen. Allerdings 100prozentig Vollprogramm-fernsehtauglich. Wir werden übers Internet den gesamten elektronischen Nachrichtenmarkt aufrollen. Da bieten sich primär die Formate von Waltraud Langer an, die Speerspitze zu bilden. Das ist, grob gesehen, der Plan für die nächsten drei Jahre.

STANDARD: Bei Programmreformen taucht immer wieder der Plan einer großen täglichen, bis zu einstündigen News-Show auf.

Amon: Dass wir in diesem Bereich denken, ist kein Geheimnis. Ideal wäre das zwischen 19 und 20.15 Uhr. Aber die strikten Auflagen des ORF-Gesetzes erlauben das dort nicht. Wenn, müssten wir das in einer anderen Zeitzone umsetzen, die werbetechnisch und rundfunkgesetzlich geht. Ob wir diese Beschränkungen je wegbekommen, ist eine Frage. Aber ein Format, das 30 Minuten netto Information bietet und 40 bis 50 Minuten brutto dauert, je nach Werbezeit: Das ist der Traum vieler vernünftiger Menschen in dem Bereich. Mit dem seit drei Jahren forcierten Runden Tisch haben wir später eine Fläche in die Richtung.

STANDARD: Ich höre, in der SPÖ gibt es Bestrebungen, Sie – statt des im Vorjahr erkrankten Willy Mitsche – zum Radiodirektor zu machen.

Amon: Ich habe von solchen Bestrebungen nicht gehört. Und was mich sehr freut: Willy Mitsche geht es hervorragend, er freut sich schon sehr auf seine Rückkehr.

STANDARD: Würde Sie der Job interessieren?

Amon: Prinzipiell sind Direktorenpositionen immer reizvoll. Aber das steht nicht zur Disposition. Gott sei Dank. (DER STANDARD; Printausgabe, 20.1.2010/Langfassung)