Wien - "Das Urteil ist eine unfassbare Verharmlosung von geschlechtsspezifischer Gewalt", reagierte am Dienstag auch Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser auf einen Rechtsspruch im Wiener Straflandesgericht vom vergangenen Freitag. Wie berichtet, war ein gebürtiger Türke wegen versuchten Totschlags nicht rechtskräftig verurteilt worden - da sich dessen Frau scheiden lassen wollte, hatte er mehr als ein dutzend Male auf sie eingestochen und sie danach noch mit einer Eisenstange verprügelt, bis der Sohn dazwischenging.

Laut Staatsanwaltschaft und Richtspruch soll der Mann in einer "allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung" gehandelt haben - wobei der Staatsanwalt auch den Migrationshintergrund des Angeklagten für seine Begründung angeführt hatte.

Derartige Gerichtsentscheidungen "stärken gewalttätige Männer, schwächen die Position der Opfer und führen die langjährigen Bemühungen von Hilfseinrichtungen ad absurdum", kritisierte Rösslhumer.

Seitens der Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die aufgefordert worden war, dazu Stellung zu nehmen, hieß es am Dienstag: "In die unabhängige Justiz einzugreifen, wäre ein Skandal", so Katharina Swoboda, Pressesprecherin von Bandion-Ortner. Die Justiz habe Männer und Frauen ebenso gleich zu behandeln wie In- und Ausländer. Es gebe "keine Bevorzugung von Frauen. Es gibt auch Gewalt gegen Männer."

Im Mittelpunkt der Kritik steht, dass der Täter wegen versuchten Totschlags und nicht wegen versuchten Mordes angeklagt worden war - obwohl er bereits eine Stunde vor der Tat der Frau gesagt haben soll, er werde sie umbringen, wenn sie sich scheiden lasse. Und: Die Frau hatte sich von ihrem Mann trennen wollen, weil er zuvor schon des Öfteren gewalttätig geworden war.

Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, könne aber der Zustand einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" auch eine Stunde lang andauern. Die attackierte Ehefrau und ihr Sohn hatten vor Gericht nicht ausgesagt. (Roman David-Freihs/DER STANDARD, Printausgabe 20.01.2010)