Derzeit können nur ein paar hundert Menschen die Schwerarbeiter-Pension nutzen. Sozialminister Hundstorfer will, dass es mehr werden:"Sicher die doppelte Zahl wie jetzt."

Cremers Photoblog: Bei Rudolf Hundstorfer

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Standard: Wer der SPÖ in der Debatte um das Transferkonto zuhört, könnte glauben, alles laufe schon ideal und die Treffsicherheit von Leistungen könne nicht erhöht werden.Glauben Sie das wirklich?

Hundstorfer: Grundsätzlich ist es so, dass wir ein sehr hohes Niveau haben und treffsicher sind. Nur vier Prozent aller Leistungen hängen von Bedürftigkeit ab. Alles andere sind Versicherungsleistungen oder Leistungen, die der Staat allen zugute kommen lassen wollte - etwa die Familienbeihilfe oder die Entgeltfortzahlung. Darum lehnt die SPÖ dieses Konto ab. Wenn man meint, wir zahlen eine zu hohe Familienbeihilfe, dann soll man das auch sagen.

Standard: Aber wenn 96 Prozent der Leistungen nicht von Bedürftigkeit abhängen, sollte dann nicht geprüft werden, ob alle Leistungen noch notwendig sind?

Hundstorfer: Wenn man eine Diskussion führen will, soll man sie ehrlich führen. Dann soll die ÖVP sagen, ich will diese und jene Leistung infrage stellen. Ich sehe im Moment aber keinen Diskussionsbedarf. Unser hoher sozialer Frieden hängt auch damit zusammen, dass die Leute wissen, sie sind abgesichert.

Standard: Im Standard-Interview meint aber auch Ihr Parteikollege, der steirische Landeshauptmann Franz Voves, man müsse schauen, ob man noch alle Leistungen braucht.

Hundstorfer: Es gibt sicher kein Diskussionsverbot. Ich sehe allerdings in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf.

Standard: Ein großer Kostenbrocken ist die Hacklerregelung, wonach Frauen mit 55 und Männer mit 60 abschlagsfrei in Pension gehen können, wenn sie 40 bzw. 45 Versicherungsjahre haben. Von 2010 bis 2013 werden Kosten von rund 1,7 bis zwei Milliarden Euro erwartet. Wie viel sollte unter diesem Titel eingespart werden?

Hundstorfer: Das ist eine Frage der Verhandlungen. Ich habe einen Vorschlag präsentiert, dass man das Antrittsalter für die Hacklerregelung in Etappen von 60 auf 62 erhöht.

Standard: Ihr Sparziel?

Hundstorfer: Ich will keine genaue Zahl nennen, aber es werden deutlich mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr sein.

Standard: Neben der Hacklerregelung gibt es auch noch die Schwerarbeiter-Pension für bestimmte Berufsgruppen, die aber nur von ein paar hundert Leuten genutzt werden kann. Wie viele sollten Anspruch haben?

Hundstorfer: Sicher die doppelte Zahl wie jetzt. Wir brauchen hier weitere Kriterien. Denn wir sind uns mit allen einig, dass es Jobs gibt, die niemand 40 oder gar 50 Jahre ausüben kann. Solchen Menschen muss man eine Chance geben, früher rauszukommen. Wichtig ist auch, wie wir durch frühzeitigereRehabilitationsmaßnahmen verhindern, dass die Menschen mit 50 kaputt sind.

Standard: Beim Nationalen Aktionsplan für Integration sind für Zuwanderer Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt vorgesehen. Woran denken Sie?

Hundstorfer: Bei der Familienzusammenführung erwarten wir uns von den Nachkommenden Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Funktioniert das, kann man über die Abschaffung der einjährigen Arbeitsmarktsperre reden.

Standard: Wollen Sie eine komplette Streichung?

Hundstorfer: Ob das ersatzlos gestrichen oder auf drei Monate zusammengekürzt wird, werden wir dann noch sehen.

Standard: Was ist mit der vollen Arbeitserlaubnis für Asylwerber?

Hundstorfer:Das ist gesellschaftspolitisch ein heißes Thema. Ganz offen: Bei den momentanen Arbeitsmarktzahlen wissen wir alle, dass das realpolitisch nicht geht.

Standard: Im Aktionsplan steht auch, dass Sozialdumping bekämpft werden soll.

Hundstorfer: Das ist nicht nur ein Problem, das bei Zuwanderern besteht. Aber jemand, der sich hier im Land neu integrieren will, ist leichter bereit, einen niedrigeren Lohn zu akzeptieren, obwohl ihm mehr zustünde. Teile der österreichischenWirtschaft nützen das leider aus und versuchen zustehende Zahlungen wie auch Kollektivverträge zu unterlaufen.

Standard: Brauchen die Prüfer bei den Gebietskrankenkassen mehr Kompetenzen?

Hundstorfer: Nein, aber die Kontrollen müssen noch besser funktionieren. (Peter Mayr und Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2010)