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"Ich bezeichne das Transferkonto als Neidkonto."

APA-FOTO: MARKUS LEODOLTER

"Die ÖVP will, dass die Leistungen auf Knopfdruck für alle sichtbar werden." In der Steiermark hat der Wahlkampf längst begonnen, das merkt man auch an den Aussagen des SPÖ-Soziallandesrates Siegfried Schrittwieser. Er kritisiert die ÖVP für ihre Forderung nach einem Transferkonto. Sie wolle damit Neid schüren. Warum das Sozialressort die Studie des Wissenschafters Franz Prettenthaler, die der ÖVP als Argumentationsgrundlage dient, dennoch mitfinanziert hat, erklärt er im Interview mit derStandard.at.

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derStandard.at: Die Debatte um das Transferkonto ist auf Bundesebene das bestimmende Thema in der Koalition geworden. Die SPÖ Steiermark hat sich dazu negativ geäußert. Wieso?

Schrittwieser: Ich unterstelle der ÖVP, dass es ihr in der Debatte nicht um die Übersicht der Transfers geht. 90 Prozent der Leistungen kommen vom Bund und der Bund hat eine Übersicht, was es an Ausgaben gibt und wir, die Länder, und die Gemeinden wissen es auch. Die ÖVP will, dass die Leistungen auf Knopfdruck für alle sichtbar werden. Und ich unterstelle der ÖVP auch, dass es ihr zu viel ist, was wir für Transfers ausgeben. Ich finde aber, in einer der größten Krisen, ist es okay.

Ich bin gegen das Transferkonto, weil es auch diskriminierend ist, weil alle zugreifen können. Sie sagen zwar, das passiert nicht, aber die Dinge bleiben nie geheim, wie Sie wissen. Es gibt ja viele Bezieher, denen es peinlich ist, dass sie die Leistungen in Anspruch nehmen müssen.

derStandard.at: Sie glauben also, dass die ÖVP darauf abzielt, Sozialleistungen zu kürzen?

Schrittwieser: Sie will den Neid schüren. Ich bezeichne das Transferkonto als Neidkonto. Ich unterstelle der ÖVP zwar nicht direkt, dass sie die Leistungen kürzen will. Aber in den Debatten im Landtag kommt immer wieder zutage, dass sie sagen, die Leute bekommen zu viel, das ist alles zu teuer, das können wir uns nicht mehr leisten.

Ich frage mich aber: Warum zahlen die Vermögenden nicht mehr Steuern? Warum erfahren wir in Österreich nicht - auf EU-Ebene gibt es das - was für Transfers es an die Bauern, an die Wirtschaft und die Betriebe gibt. Wenn wir das einmal wissen, können wir über alles reden. Aber sich die schwächste Gruppe der Gesellschaft rauszunehmen, das geht mit uns nicht. Wir sind ja nicht von gestern. Man kann über alles reden, aber nicht so einseitig, wie das die ÖVP macht.

derStandard.at: Im Zentrum Ihrer Kritik steht die Studie von Franz Prettenthaler, die der ÖVP als Argumentationsgrundlage dient. Die Studie wurde vom steirischen Sozialressort, dem Sie vorstehen, mitfinanziert. Ein Schuss ins eigene Knie?

Schrittwieser: Ja, das war noch unter meinem Vorgänger, aber ich stehe dazu. Ich hab mir die Studie auch genau angesehen. Sie schürt im Prinzip nur Neid. Es wird gesagt, wenn ich besser verdiene und aus den Transfers herausfalle, dann muss ich noch mehr verdienen, dass ich ähnliches oder das gleiche bekomme. Das mag schon seine Richtigkeit haben, aber wir haben einen gewissen Standard in Österreich, Familien und auch Alleinstehende sollen ein gewisses Mindesteinkommen zur Verfügung haben. Die Behauptung, dass der Großteil nicht arbeiten will, das stimmt ja nicht.

derStandard.at: Aber warum haben Sie die Studie überhaupt in Auftrag gegeben?

Schrittwieser: Wir haben sie zur Hälfte finanziert, die andere Hälfte ist vom Wissenschaftsressort finanziert worden, von Landesrätin Edlinger-Ploder. Ich heiße es natürlich nicht gut, dass die ÖVP deswegen jetzt eine solche Debatte führt. Schon früher hat die ÖVP eine Sozialschmarotzer-Debatte geführt und jetzt ist es wieder eine versteckte Sozialschmarotzer-Debatte.

Wobei auch ich sage: ich stehe für Treffsicherheit und nicht dafür, dass jemand etwas bekommt, das ihm nicht zusteht.

derStandard.at: In der Steiermark sind im Herbst Landtagswahlen. Vor wenigen Tagen sagte Franz Voves im Interview mit dem Standard, dass er sich eine Zusammenarbeit mit der FPÖ in der Integrationspolitik vorstellen könnte. Sie auch?

Schrittwieser: Der Landeshauptmann hat gemeint, wenn es Parteien gibt, die in den Landtag gewählt werden, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man mit allen spricht. Man muss abwiegen, wo die großen Unterschiede sind, wo die Grenzen liegen. Wir werden auch mit der FPÖ reden und schauen, ob es Gemeinsamkeiten gibt, um eine Zusammenarbeit nach der Wahl zu ins Auge zu fassen. Es kann ja nicht sein, dass ausschließlich die ÖVP als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Da gibt es auch vieles, was mir nicht passt. Zumindest jetzt diese Transferkonto-Debatte. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 22.1.2010)